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Skandal um Mastbetriebe: Druck auf Niedersachsens Landwirtschaftsministerin wächst

Im Skandal um Mastbetriebe wirkt Niedersachsens Landwirtschaftsministerin unsicher – auch ein Rücktritt scheint möglich

Als Astrid Grotelüschen vor gut 100 Tagen ihr Amt als neue Agrarministerin in Niedersachsen antrat, wirkte sie frisch und fröhlich. Die gebürtige Rheinländerin, die nach einer kurzen Zeit im Bundestag ins Kabinett von Christian Wulff berufen wurde, sollte ein Gegengewicht bilden zum Vorgänger Heiner Ehlen, der altersbedingt ausschied und zum Schluss angeschlagen schien. Heute allerdings ist die Unbekümmertheit aus dem Gesicht der Politikerin gewichen.

Radikale Tierschützer hatten in einem Beitrag für „Report Mainz“ von unhaltbaren Zuständen in zwei Ställen eines Putenmastbetriebes in Mecklenburg-Vorpommern berichtet. Tiere lagen tot am Boden, waren verstümmelt oder vegetierten dahin. Die Erzeugergemeinschaft, die an den Pranger gestellt wurde, hat offenbar enge Geschäftsbeziehungen zur Mastkükenbrüterei von Grotelüschens Mann im Oldenburger Land. Die CDU-Politikerin selbst, die gelernte Ernährungswissenschaftlerin ist, hatte noch vor einigen Jahren, bevor sie in die Politik einstieg, in der Firma ihres Mannes gearbeitet. Der Vorwurf der Tierschutzorganisation Peta lautete, Astrid Grotelüschen habe massive Verstöße gegen den Tierschutz hingenommen, sich sogar über lange Zeit in einer Firma engagiert, die für unhaltbare Zustände eine Mitverantwortung trägt.

Diese Kritik trifft einen wunden Punkt im Lebenslauf der Landwirtschaftsministerin. In Niedersachsen, dem Bundesland mit der stärksten Ernährungswirtschaft in Deutschland, werden viele neue Mastanlagen geplant, riesige Ställe, die den Tierschützern ein Dorn im Auge sind. Schon seit vielen Jahren wird heftig darüber gestritten, die schwarz-gelbe Landesregierung hat die Pläne stets verteidigt – schließlich ist der Ernährungssektor wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg in dem Bundesland, womöglich sogar der Erfolgsgarant schlechthin. Als Grotelüschen im April Ministerin wurde, thematisierte die Opposition im Landtag sofort auch die familiäre Verflechtung zur Mastkükenbrüterei ihres Mannes. Die Grünen hielten die 45-Jährige für eine Vertreterin der ungeliebten Massentierhaltung und sprachen von einer Fehlentscheidung.

Bisher hat Grotelüschen wenig getan, solche Vorwürfe zu entkräften. Mit ihrem Ministeramt schien sie in den ersten Wochen zu fremdeln, und öffentlichkeitswirksame Signale der Verständigung mit der Öko-Landwirtschaft oder mit Tierschützern kamen von ihr auch nicht. Dabei hatten selbst Parteifreunde auf solche Zeichen gehofft. Als Anfang August auf einen fast fertigen Hähnchenmaststall im Kreis Harburg ein Brandanschlag verübt wurde, fuhr Grotelüschen dorthin und zeigte demonstrativ Solidarität. In den Augen ihrer Kritiker bewies sie damit einmal mehr, dass sie sich aus ihrer alten beruflichen Verbindung zur industriellen Tierproduktion nicht lösen will. Dies geschah wenige Tage vor der Ausstrahlung des Fernsehbeitrages.

Nun ist unklar, ob die Bilder in dem Beitrag tatsächlich aus den Ställen kommen, die mit der Firma von Grotelüschens Mann in Kontakt stehen. Es liegen dazu gegensätzliche eidesstattliche Erklärungen vor. Aber die Ministerin selbst, die auf die Vorwürfe reagieren musste, strahlte dabei keine Selbstsicherheit aus, sie geriet rasch in die Defensive. Ein Wort des Bedauerns über die offensichtlichen Verstöße gegen den Tierschutz kam ihr nicht über die Lippen. Stattdessen betonte sie, „nicht verantwortlich“ zu sein. „Intensive Geschäftsbeziehungen“ der Firma ihres Mannes zu der Erzeugergemeinschaft in Mecklenburg-Vorpommern stellte Grotelüschen in einem Interview in Abrede. Nach diesen irritierenden Reaktionen der CDU-Politikerin nährt sich der Verdacht, sie wolle etwas kleinreden, das an ihrem Image kratzen könnte. Einen Rücktritt lehnte die Politikerin zwar bisher ab, aber in Hannover wird ihr Amtsverzicht nicht ausgeschlossen. Zudem war Grotelüschen die Wahl von Christian Wulff, dem heutigen Bundespräsidenten. Es ist ein offenes Geheimnis in Niedersachsen, dass der neue Regierungschef David McAllister Grotelüschen vermutlich nicht ausgewählt hätte.

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