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Politik: Skrupellos in Abu Ghraib

Anklage zeichnet Bild eines sadistischen Soldaten

Galgenhumor. Recht harmlos also. Das soll die Erklärung für eine Reihe sadistischer EMails gewesen sein. Ausgelöst durch Stress. Der Anwalt des 36-jährigen US-Soldaten Charles Graner hielt am Freitag das Schlussplädoyer. Sein Mandant wird beschuldigt, der Rädelsführer der Folterer von Abu Ghraib gewesen zu sein. Anschließend zogen sich die zehn Geschworenen zur Beratung zurück. Es war ein kurzer Prozess. Eine Woche hatte er gedauert. Und Graner hatte bis zum Schluss gelächelt.

Andere Menschen leiden zu sehen, habe dem Angeklagten Spaß gemacht, meinte der Vertreter der Anklage. „Er machte es aus Sport, zum Gelächter.“ Dessen Taten seien „klare Fälle von Misshandlungen“ gewesen, für die es keine Rechtfertigung gebe. Selbst in den Zeugenstand hatte Graner nicht treten wollen. Seine Verteidigung überließ er anderen.

Mehrere Zeugen bestätigten, dass die Gefängniswärter unter massiven Druck von Geheimdienstlern gestanden hatten, die Gefangenen gefügig zu machen. Saddam Hussein war zur Zeit der Verbrechen noch flüchtig. Doch einige von Graners Opfern sagten aus, dass der Angeklagte oft aus eigenem Antrieb gehandelt habe. Er sei brutaler, zynischer und sadistischer gewesen als andere US-Soldaten, erklärten sie.

Mehr als 2000 E-Mails hatte Graner aus Abu Ghraib an Freunde und Verwandte verschickt. Sie dokumentieren dessen Charakter.

Ein brutaler, sadistischer Mann, der keine Skrupel hat: Als solcher war Graner angeklagt worden. Ein Mitläufer, der von den chaotischen Zuständen in Abu Ghraib überfordert war und von Vorgesetzten zu den Misshandlungen verführt wurde: So hatte ihn die Verteidigung präsentiert. Wahrscheinlich stimmt beides. Damit das Böse sich entfalten kann, muss es angelegt sein und Gelegenheit bekommen. Insgesamt sieben Soldaten, die in Abu Ghraib als Aufseher eingesetzt worden waren, müssen sich wegen der Folteraffäre vor Gericht verantworten. Drei davon haben sich bereits als schuldig bekannt. Ein achter Soldat, der einer Geheimdiensteinheit angehörte, wurde ebenfalls verurteilt. Das Verfahren gegen Graner war das erste, das auf US-Boden stattfand, in Fort Hood im US-Bundesstaat Texas.

Das Strafmaß für die Folterer ist in der Regel hoch. Doch kehrt dadurch Gerechtigkeit ein? Je drastischer die Strafe, desto leichter fällt es, die Schuld auf einige Wenige abzuwälzen, die dann stellvertretend für alle anderen büßen müssen. Doch der wahre Skandal hat eine andere Dimension. Die Befehlskette, die jenes Klima schuf, das die Misshandlungen begünstigten, führt ins Justizministerium, Pentagon und Weiße Haus. Dort fielen die Schranken, über die sich die Aufseher in Abu Ghraib hinwegsetzten. Doch davon spricht keiner mehr. In Graner fand sich der ideale Täter.

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