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Politik: Slobodan Milosevic: Serbien liefert Ex-Diktator aus

Serbiens Regierung hat sich am Donnerstag über ein Veto des jugoslawischen Verfassungsgerichts hinweggesetzt und den als Kriegsverbrecher angeklagten Ex-Diktator Slobodan Milosevic an das Haager UN-Tribunal ausgeliefert. Milosevic sei bereits in den Händen der Ermittler des Tribunals, bestätigte Regierungschef Zoran Djindjic am Abend.

Serbiens Regierung hat sich am Donnerstag über ein Veto des jugoslawischen Verfassungsgerichts hinweggesetzt und den als Kriegsverbrecher angeklagten Ex-Diktator Slobodan Milosevic an das Haager UN-Tribunal ausgeliefert. Milosevic sei bereits in den Händen der Ermittler des Tribunals, bestätigte Regierungschef Zoran Djindjic am Abend. Nach Informationen Belgrader Rundfunksender soll Milosevic kurz nach 18 Uhr in einem Polizeikonvoi aus dem Belgrader Zentralgefängnis zu einem abgeschirmten Militärflugplatz gebracht worden sein. Politiker der internationalen Gemeinschaft begrüßten die Auslieferung Milosevics.

Wie der Tagesspiegel von bosnischen Behörden später erfuhr, wurde Milosevic erst mit einem UN-Hubschrauber von Belgrad aus in die nordbosnische Stadt Tuzla geflogen. Dort sei er, übewacht von einer amerikanischen Sfor-Einheit, von einer internationalen Delegation in Empfang genommen und umgehend in ein Flugzeug nach Den Haag gesetzt worden. Jugoslawiens Präsident Kostunica sei über die Auslieferung nicht informiert worden, meldete eine Belgrader Nachrichtenagentur. Tausende Milosevic-Anhänger protestierten in Belgrad.

Noch am Morgen hatte das jugoslawische Verfassungsgericht eine Beschwerde der Milosevic-Anwälte akzeptiert und das Regierungsdekret zur Auslieferung von Kriegsverbrechern außer Kraft gesetzt. Die serbische Regierung beschloss jedoch in einer Krisensitzung am Nachmittag, die Entscheidung der noch durch Milosevic eingesetzten Richter zu ignorieren. Das Kabinett habe durch den Richterspruch "vitale Interessen Serbiens" verletzt gesehen, so ein Sprecher. Drei der vier Richter waren führende Mitglieder der Sozialistischen Partei Milosevics.

Am Abend drohte Montenegros Sozialistische Volkspartei, ein Ableger der Milosevic-Partei, die Regierungskoalition aus Protest gegen die Auslieferung des Ex-Diktators zu verlassen.

Die Auslieferung erfolgte wenige Stunden vor Beginn der internationalen Geberkonferenz in Brüssel. Serbien soll dort eine Milliarden-Hilfe für den Wiederaufbau zugesprochen bekommen. Vor allem die US-Regierung hatte die Auslieferung prominenter Kriegsverbrecher zur Bedingung für Hilfe gemacht. Milosevic ist der erste Ex-Staatschef, der von dem UN-Gericht für Jugoslawien zur Rechenschaft gezogen wird. Vor allem der amtierende Präsident Kostunica war gegen die Auslieferung.

Carla del Ponte, Chefanklägerin des UN-Tribunals, sagte: "Dies ist ein wichtiger Meilenstein für die Justiz, aber es ist erst der Anfang langer Prozesse und viel Arbeit muss noch geleistet werden, um den Fall zum Abschluss zu bringen."

US-Präsident George W. Bush sagte, die Auslieferung öffne den Weg, Milosevic wegen seiner Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung zu ziehen. Der stellvertretende russische Regierungssprecher Wolin nannte die Überstellung nach Den Haag eine "innere Angelegenheit Jugoslawiens".

Nato-Generalsekretär George Robertson gratulierte der Führung in Belgrad "zu ihrer weisen und mutigen Entscheidung. Wir haben sehr lange auf diese Entscheidung gewartet."

Der EU-Beauftragte für den Balkan-Stabilitätspakt, Bodo Hombach, lobte die Entscheidung der serbischen Regierung zur Auslieferung Milosevics. Sie liege "im Interesse des jugoslawischen Volkes". Sie rechne ab mit einer Vergangenheit, "die das Land isoliert und zurückgeworfen hat, in moralischer und ökonomischer Hinsicht". Premier Djindjic"erfüllt damit auch das von mir in ihn gesetzte Vertrauen. Ich rufe jetzt die internationale Staatengemeinschaft auf, Jugoslawien massiv und rasch zu unterstützen, damit auch die Skeptiker sehen, dass dieser Schritt der richtige war", betonte Hombach.

Der internationale Bosnien-Beauftragte, Wolfgang Petritsch, sagte dem Tagesspiegel: "Es war offensichtlich eine sehr schwere Entscheidung Belgrads, ihn genau zwölf Jahre nach jenem Tag auszuliefern, an dem Milosevic seine infame Rede auf dem Amselfeld gehalten hat, die als Overtüre der Kriege in Ex-Jugoslawien gilt." Petritsch sprach der Regierung seine Anerkennung aus: "Als der Hauptprotagonist des Konfliktes in Bosnien ist das Erscheinen Milosevics vor dem UN-Tribunal zentral für die weitere Entwicklung des Friedensprozesses in Bosnien. Gerechtigkeit muss ihren Weg finden." Nur durch diesen Prozess würden die wirklichen Fakten bekannt - "ebenso wie die individuelle Schuld". Petritsch hofft, dass weitere Angeklagte in Kürze nach Den Haag kommen.

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