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Politik: So viel Schmäh

Von Sebastian Bickerich

Es war nur ein böser Witz, aber er zeigte, wie tief die Abgründe in Österreich sein können: Die Linken hätten sich die Forderung islamischer Gruppen zu eigen gemacht, die Gipfelkreuze auf Österreichs Alpenhöhen gegen Halbmonde auszutauschen. So verbreitete es die Partei eines gewissen Rechtspopulisten namens Jörg Haider, und sogleich machte er sich mit seinem Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) daran, das christliche Abendland zu verteidigen. Wenn nun auch noch 300 000 unliebsame Ausländer ausgewiesen würden, dann wäre Österreich von allem Übel befreit. Kleinlaut mussten die Rechten später eingestehen, dass nicht der Integrationsbeauftragte der Sozialdemokraten, sondern eine Künstlergruppe die Halbmond-Geschichte erfand – um den ausländerfeindlichen und inhaltsleeren Wahlkampf in Österreich vor dem Wahltag heute zu demaskieren.

Das ist gelungen. Seit sechs Jahren nun regiert in Wien Bundeskanzler Wolfgang Schüssel von der konservativen ÖVP. Bis heute kann er sich zugutehalten, die unterschiedlichen Gruppierungen um Jörg Haider durch Umarmung erdrückt zu haben. Zuerst war er Kanzler geworden, obwohl Haiders FPÖ die stärkere Partei war. Zwei Jahre später drückte er Haider bei den Wahlen von 27 auf zehn, heute möglicherweise nur noch auf unter vier Prozent und damit aus dem Parlament. Das ist die gute Nachricht vor der Wahl.

Doch der Preis dafür ist hoch. Längst sind Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in die Mitte der österreichischen Gesellschaft gerückt, längst haben sich alle bürgerlichen Parteien mit Ausnahme der Grünen Ansichten und Programmatik Haiders einverleibt. Wo „daham statt Islam“ skandiert wird, wo ein sozialdemokratischer Kanzlerkandidat in vertrautem Vokabular die „Ausweisung aller kriminellen Ausländer“ fordert, wo ein Parteichef unwidersprochen die Beschäftigungspolitik der Nazis „beeindruckend“ nennen darf – da ist die Politik tatsächlich „verludert“, wie der liberale „Standard“ klagt. Das ist der Sieg Jörg Haiders über das liberale Österreich – auch wenn er selbst dabei politisch an den Rand gedrängt wurde.

Dabei hätten die Österreicher, dabei hätte Wolfgang Schüssel vieles, was mit Fug und Recht den Wahlkampf bestimmen könnte: Schüssel hat das Land ja durchaus auf einen Weg gebracht, der deutsche Politiker neidisch machen muss. Von einer Arbeitslosenquote von landesweit nur fünf Prozent kann selbst Baden-Württemberg nur träumen, der Haushalt ist nahezu ausgeglichen, und Österreichs Wirtschaft profitiert massiv von der günstigen Lage des Landes mitten an der Schnittstelle zu den neuen EU-Nachbarn in Osteuropa.

Immerhin: In der vergangenen Woche verließ Justizministerin Karin Gastinger ihre Partei, weil sie ihrem Sohn Max die BZÖ-Forderung nach „Deportation von 300 000 Ausländern“ nicht mehr erklären wollte. Vielleicht ist das ein erstes Zeichen dafür, dass nicht nur Haider selbst, sondern auch sein Gedankengut langsam an politischem Einfluss zu verlieren beginnt. Es wäre ein gutes Zeichen.

Wenn Österreich erkennt, dass es sich nicht einigeln kann, dass es aus seiner Lage mitten in Europa auch jenseits der wirtschaftlichen Entwicklung etwas machen kann – viel wäre gewonnen. Eine neue Premiere aus Wien könnte dafür sorgen: Nach den letzten Meinungsumfragen erscheint ein schwarz-grünes Bündnis möglich – das erste in Europa.

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