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Twitter und Facebook werden immer wichtiger für die Bundesregierung.

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Update

Regierung auf Twitter und Co.: Social Media für Ministerien kein Neuland mehr

Die Kommunikation über Soziale Netzwerke steigt. Immer mehr Ministerien nutzen diese Kanäle gezielt und professionell. Aber es gibt noch immer Ausnahmen.

Berlin leuchtet. Die weißen Ballons zeichnen auf einer Luftaufnahme bei Nacht die Mauer nach. „Tonight #Berlin is divided again… ...by balloons lighting up route of the former #Wall via @schmidtsdorf #Lichtgrenze“, twittert das Auswärtige Amt über seinen englischsprachigen Kanal und postet dazu das Foto.

Mehr als 9000 Retweets, also Verbreitungen durch andere Nutzer, bringt das. Zu der Zeit ist das einer der weitverbreitetsten Tweets in Irland, Großbritannien und sogar den USA. 4000 Twitter-Nutzer haben den Eintrag zudem favorisiert.

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So viel Aufmerksamkeit für deutsche Diplomatie ist auf kaum einem anderen Weg herzustellen. Zur gleichen Zeit im Bundesinnenministerium: kein Tweet, kein Facebook-Post, keine Follower. So weit klafft die Praxis innerhalb der Bundesregierung im Umgang mit sozialen Netzwerken auseinander.

Allerdings bildet das Innenministerium mittlerweile eine Ausnahme. Denn der Trend geht hin zu mehr Social Media. Botschaften können ungefiltert verbreitet werden, man erreicht, wenn man es gut macht, ein großes Publikum, bekommt schneller Stimmungen und Themen mit und vor allem kann man den Anschein von Modernität erwecken. Deshalb nutzen immer mehr Politiker die Kanäle der sozialen Netzwerke – und immer mehr lassen sich dabei von Profis helfen. Martin Fuchs, Politikberater mit Spezialisierung auf Soziale Netzwerke und Betreiber des Blogs „Hamburger Wahlbeobachter“, sieht einen eindeutigen Professionalisierungsschub. „Unter den 631 Bundestagsabgeordneten nutzen vielleicht 20 bis 30 Prozent soziale Netzwerke professionell", sagte Fuchs. Insgesamt nutzen etwa 95 Prozent der Bundestagsabgeordneten Soziale Netzwerke. 30 Abgeordnete verzichten komplett. (Warum sie verzichten, hat Martin Fuchs recherchiert. Mehr hier). "Einen extremen Schub gab es dagegen im Bereich der Ministerien“, sagte Fuchs. Hier hat der Regierungswechsel von Schwarz-Gelb zu Schwarz-Rot einiges in Bewegung gesetzt. Das Auswärtige Amt und das Familienministerium haben den Bereich besonders stark ausgebaut.

"Digital Diplomacy gewinnt an Bedeutung"

Im Auswärtigen Amt verantwortet Sebastian Fischer die Internetredaktion des Hauses. Sie umfasst sieben Personen, davon sind allein zwei nur für Facebook zuständig. Die Twitterkanäle werden von allen bedient. Das Auswärtige Amt hat eine deutsche Facebookseite. Hinzu kommen 90 Facebookseiten von Auslandsvertretungen und 40 Twitter-Accounts von deutschen Auslandsvertretungen. „Digital Diplomacy gewinnt immer mehr an Bedeutung, weshalb es wichtig ist, dass Deutschland dort eine wahrnehmbare Stimme hat“, heißt es im Auswärtigen Amt.

Die Nutzerzahlen der Social-Media-Kanäle des Auswärtigen Amts steigen kontinuierlich an. Dem deutschsprachigen Twitter-Kanal @AuswaertigesAmt folgen mittlerweile rund 210.000 Menschen. Dem englischsprachigen Kanal @GermanyDiplo folgen rund 400.000 Twitterer. Mehrere deutsche Botschaften, darunter die aus Kairo, Tunis oder Dhaka haben jeweils mehr als 100.000 Fans auf Facebook. (Mehr zur Facebook-Kommunikation der Botschaften finden Sie hier und zu Twitter hier) In der Kommunikation selbst kommt es auf einen guten Mix aus Bildern, Botschaften und Diskurs an. Neben schnellen Reaktionen und der Verbreitung von Nachrichten werden auch eigene Formate getestet, wie jüngst ein Twitter-Interview mit dem Minister.

Im Familienministerium haben die sozialen Netzwerke ebenfalls einen deutlich höheren Stellenwert als in anderen Häusern. Manuela Schwesig ist selbst auf Twitter und Facebook aktiv. Sie kümmert sich um ihre Accounts – allerdings mit Unterstützung im Haus. Die Social-Media-Maßnahmen werden von einem Mitarbeiter, der aber auch andere Aufgaben erfüllt, in enger Absprache mit dem Referatsleiter Öffentlichkeitsarbeit koordiniert. Das Familienministerium setzt dabei insbesondere auf Twitter. Ein eigener Facebook-Ministeriumsaccount besteht nicht. „Es wird aber angestrebt, einen solchen im kommenden Jahr einzurichten“, heißt es im Ministerium.

Keine professionellen Social-Media-Strukturen im Bundesinnenministerium

„Es hängt viel von der Hausleitung ab, ob den Sozialen Netzwerken viel Beachtung geschenkt wird, aber wenn man diese Medien richtig einsetzt, kann das die Reichweite, die Bekanntheit und die Aufmerksamkeit für den Minister oder die Ministerin steigern“, sagte Fuchs. „Für viele wird es aber immer schwieriger, soziale Netzwerke selbst zu bestücken, zu beobachten und einzugreifen, deshalb sind professionelle Strukturen, die das auffangen, enorm wichtig.“

Im Bundesinnenministerium gibt es diese professionellen Strukturen noch nicht. Gerade einmal anderthalb Stellen umfasst die Online-Redaktion. Und die ist damit beschäftigt, die Webseite aktuell zu halten. „Aber es gibt im Haus Diskussionen um die Nutzung sozialer Netzwerke“, sagt Sprecher Tobias Plate. Im Moment fehlten die Ressourcen dafür. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich dagegen ausgesprochen, dass andere in seinem Namen twittern. Das sei der Glaubwürdigkeit des Mediums nicht zuträglich. Mehr Stellen gibt es zurzeit für das Ministerium nicht, also müsste innerhalb des Hauses umgeschichtet werden, um Kapazitäten zu schaffen – doch dafür fehlt noch der Wille. Professionelle Beratung, heißt es im Innenministerium, sei zu teuer.

Dennoch wächst der Markt in diesem Bereich. Für Bernd Buschhausen, Leiter des Berliner Büros der Agentur Edelmann, die wie viele andere auch Beratung im Social-Media-Bereich anbietet, steht fest: „Es ist gar keine Frage mehr, ob man soziale Netzwerke nutzt. Kommunikation, vor allem politische Kommunikation, ist heute digital, und da gehören soziale Netzwerke dazu.“ Sein Unternehmen hatte bereits vor drei Jahren eine Studie zu sozialen Netzwerken durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kommunikation über diese Medien der persönlichen 1:1-Kommunikation auf der Straße oder am Telefon sehr nahekommt. „Das ist heute noch mehr der Fall.“

Warum hat Angela Merkel keinen eigenen Twitter-Kanal?

Bleibt nur eine Frage: Was ist eigentlich mit Kanzlerin Angela Merkel? Braucht die nicht auch einen eigenen Twitterkanal, wie ihn andere Regierungschefs haben? Nein, findet Fuchs. „Sie hat es sich mehrfach angeschaut, fühlt sich damit nicht wohl und hat sich bewusst dagegen entschieden, was auch ein Beweis für Social-Media-Kompetenz ist. Außerdem hat sie mit dem Twitter-Kanal ihres Regierungssprechers ein erfolgreiches Sprachrohr, und ihre Facebookseite wird sehr gut gepflegt.“

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 25. November 2014 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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