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Politik: Soldaten müssen draußen bleiben

Die Hilfsorganisationen im Irak wollen sich nicht unter militärischen Schutz stellen – die USA fürchten ihren Abzug

Von Christian Gaca und

Matthias Krause, New York

Da mag US-Außenminister Colin Powell nachdrücklich fordern, dass die Hilfsorganisationen im Irak bleiben sollen – der Rückzug hat schon vor Wochen begonnen. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) wies bereits nach Anschlägen im August alle deutschen Mitarbeiter an, den Irak zu verlassen. Auch das Kinderhilfswerk Unicef hatte schon im August alle internationalen Mitarbeiter abberufen. Andere Organisationen, darunter Ärzte ohne Grenzen, leisten weiterhin mit internationalen Mitarbeitern Hilfe im Irak. Die Frage ist nur: wie lange noch?

Powell befürchtet offenkundig, dass viele Hilfsorganisationen ihre Arbeit wegen der immer gefährlicheren Lage komplett einstellen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) will sich jedoch nicht diktieren lassen, wie lange die humanitäre Arbeit im Irak fortgesetzt wird. „Das ist unsere eigene Entscheidung“, sagte IKRK-Chefsprecherin Antonella Notari am Dienstag in Genf.

DRK-Pressesprecher Lübbo Roewer bestätigte, dass das IKRK derzeit in Bagdad intensiv überlegt, in welcher Form die Arbeit weitergehen kann. Für ihn steht eines fest: „Das Rote Kreuz geht nicht ganz aus dem Irak.“ Er teilt die Auffassung Powells, dass sich Hilfsorganisationen nicht dem Terror beugen dürfen. Hilfe vom Militär aber, dass unterstreicht Roewer, wolle und werde sich das Rote Kreuz nicht holen. „Militärische Operationen und humanitäre Leistung können nicht verquickt werden.“ Paradoxerweise ist es für die Helfer das größte Problem, dass im Irak kein Krieg mehr herrscht. Dies, so Roewer, führe dazu, dass es keine eindeutigen Kriegsparteien mehr gebe – und damit auch keinen eindeutigen Schutz mehr durch die Genfer Konvention. „Wir haben es dort jetzt mit terroristischen Aktivitäten zu tun,“ sagte Roewer.

Auf militärische Hilfe wird auch die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ verzichten. „Wir werden uns ganz sicher nicht vom Militär schützen lassen“, sagt Sprecherin Kattrin Lempp. Sie verweist darauf, dass der Schutz von Hilfsorganisationen auf dem Vertrauen der Bevölkerung beruht und der Gewissheit, dass „wir keine politischen oder militärischen Ziele verfolgen.“ „Ärzte ohne Grenzen“ sei derzeit mit sieben internationalen Mitarbeitern in Bagdad. Man werde dieses Team nach den Anschlägen reduzieren. Und natürlich könne irgendwann der Punkt erreicht sein, „wo wir sagen: Es geht nicht mehr“.

In den USA lief die Argumentation von US-Präsident George W. Bush, wonach die jüngsten Anschläge eine Reaktion auf die guten Fortschritte beim Wiederaufbau des Irak seien, weitgehend ins Leere. „Ist der Präsident wirklich der Meinung, Selbstmordattentäter sind bereit, sich Bomben um den Körper zu schnallen, weil wir den Strom wieder anstellen und Jobs für die Iraker schaffen?", fragte der demokratische Senator und Präsidentschaftskandidat John Kerry. Die Republikaner halten sich mit Kritik am Präsidenten zurück, aber auch dort fragt man sich mittlerweile, ob Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und sein Vize Paul Wolfowitz der Aufgabe noch gewachsen sind.   Die Kommentatoren liberaler Zeitungen wie der "New York Times", warnen das Weiße Haus davor, weiterhin „Zuckerguss“ über die Nachrichten aus Bagdad zu gießen: „Noch mehr Tage wie die am Montag können zu einer noch längeren und schwierigeren Besatzungszeit führen, als die Amerikaner das bislang glauben.“

Christian Gaca, Matthias Krause[New York]

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