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Solidarnosc: Beifall und Pfiffe zum 25. Geburtstag

Es war eine offizielle Feier zum 25. Jubliäum des Sieges der Werftarbeiter über die Kommunisten. Doch unter die eleganten Gäste mischten sich auch aufgebrachte Arbeiter, die sich um ihre damaligen Errungenschaften beraubt sehen.

Warschau/Danzig (31.08.2005, 15:25 Uhr) - Kirchenglocken läuteten, als sich der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski, sein Amtsvorgänger Lech Walesa und Dutzende von Ehrengästen auf dem «Platz der Solidarität» in Danzig (Gdansk) einfanden. Doch noch ehe die Orgel zu Beginn des Gottesdienstes am 25. Jahrestag der Gründung der Gewerkschaft «Solidarnosc» (Solidarität) das feierliche «Te Deum» anstimmen konnten, unterbrachen schrille Pfiffe die Harmonie. «Diebe, Diebe!» schrien Dutzende in blaue Overalls gekleidete Werftarbeiter von der anderen Seite des mit Blumen geschmückten Werfttores.

Vor den geladenen Gästen in Sonntagskleidung machten die Arbeiter ihrer Wut und Hilflosigkeit Luft, denn 25 Jahre nach dem historischen Sieg der Danziger Werftarbeiter über das kommunistische System sahen sie am Mittwoch keinen Grund zum Feiern. Zwar ist Polen heute stolz auf Freiheit und Demokratie, auf die Mitgliedschaft in EU und NATO. Doch ausgerechnet diejenigen, die vor 25 Jahren kämpften, sind heute vielfach arbeitslos. Die symbolträchtige Werft ging in den 90-er Jahren bankrott, inzwischen arbeiten hier nur noch wenige hundert Arbeiter, nicht mehr Tausende wie einst.

Der «Platz der Solidarität» wurde in den Wochen vor den Jubelfeiern saniert, kein Schlagloch sollte Präsidenten, Regierungschefs, Bischöfe oder Gewerkschaftsvorsitzende ins Stolpern bringen. Doch ein kurzer Umweg in die grauen Seitenstraßen, ein Blick auf vernachlässigte Häuser und Menschen mit müden Gesichtern zeigt: Die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft haben sich nicht für alle erfüllt. «Wenn wir gewusst hätten, wie viele Menschen nicht am Sieg teilhaben, hätten wir nicht die Kraft zum Kämpfen gehabt» sagte der ehemalige polnische Regierungschef Jerzy Buzek kürzlich ernüchtert.

In den Festtagsreden wurde dennoch vor allem der Erfolg beschworen, der historische Sieg der Arbeiter über ein bis dahin unnachgiebiges System, das Reformen und eine freie Gewerkschaft zugestehen musste. «Der 31. August 1980 ist der Tag, der für immer das Zeichen eines neuen Kapitels in der Geschichte Europas bleibt», sagte Jose Manuel Barroso, der Vorsitzende der EU-Kommission. «Einmal mehr hat Polen damals der Welt ein bleibendes Beispiel für Freiheitsliebe und Patriotismus gegeben», rühmte Bundespräsident Horst Köhler und Kwasniewski betonte, der Streik der polnischen Arbeiter und ihr Erfolg gegen die kommunistische Regierung habe das «Gesicht der Welt des Kalten Krieges verändert.»

Solidarnosc habe eine neue Epoche geschaffen, ohne Blöcke und Teilungen, sagte Walesa, der 1980 den historischen Streik auf der Leninwerft geleitet hatte. Vaclav Havel, der einstige Dissident und tschechische Ex-Präsident, erinnerte unter starkem Beifall an die Hoffnungen, die der Kampf der polnischen Arbeiter in der Tschechoslowakei weckte. «Die Polizei sagte uns: Habt keine Hoffnung, hier ist nicht Polen. Aber wir wussten schon, das ist der Anfang vom Ende.» (Von Eva Krafczyk, dpa)

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