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Politik: Sollbruchstelle - der Dauerbrenner Atomausstieg bleibt Rot-Grün auch 2000 erhalten

Der Streit um den Atomausstieg galt lange als Sollbruchstelle der rot-grünen Koalition. Beide Seiten sahen die Brisanz von Anfang an: Der Abschnitt im Koalitionsvertrag ist der längste zu einem Einzelthema.

Von Robert Birnbaum

Der Streit um den Atomausstieg galt lange als Sollbruchstelle der rot-grünen Koalition. Beide Seiten sahen die Brisanz von Anfang an: Der Abschnitt im Koalitionsvertrag ist der längste zu einem Einzelthema. Er legt fest, dass die Regierung ein Jahr lang mit den Stromkonzernen über einen Konsens verhandeln wollte - scheitern die Gespräche, wird der Ausstieg per Gesetz geregelt. Allerdings hatten die SPD und Kanzler Schröders parteiloser Wirtschaftsminister Werner Müller den Zwangsausstieg an eine Bedingung geknüpft: Er darf den Staat keine Entschädigung kosten.

Die Konsens-Gespräche aber brachen bald ergebnislos ab. Die Schuld schoben sich Wirtschaft und Regierung gegenseitig zu - und obendrein die Regierenden untereinander. Umweltminister Jürgen Trittin galt bald als böser Bube, der die Stromkonzerne zu knebeln versuche und jede Einigung vereitle. Die Konzernchefs erklärten ihn zur Person, mit der nicht zu reden sei. Anders übrigens als mit Wirtschaftsminister Müller. Der sprach separat mit den Stromversorgern und wollte 35 Jahre Laufzeit für die Akws zugestehen. Unerträglich für die Grünen. Die Koalition schien festgefahren. Die Wende kam, als Grünen-Außenminister Joschka Fischer sich mit Trittin zusammentat und innenpolitische Diplomatie betrieb. Erst Fischer allein, danach beide Obergrünen zusammen sprachen mit den Chefs der vier Stromkonzerne. Ihr Angebot stieß noch nicht auf helle Begeisterung, aber doch auf offene Ohren: ein flexibles Modell, das es den Akw-Betreibern ermöglichen soll, jüngere Reaktoren insgesamt länger laufen zu lassen als ältere.

Wie lange, blieb der zentrale Streitpunkt. Eine Staatssekretärsrunde hat ihn zumindest innerhalb der Regierung mit juristischen Argumenten entschieden: Verordnet der Staat den Ausstieg per Zwang, muss er den Konzernen 30 Jahre Laufzeit zugestehen und für alte Meiler drei Jahre Übergangsfrist einräumen. Auf dieser Basis soll nächstes Jahr noch einmal ein Konsens-Versuch gemacht werden. Ob die Konzerne bereit sind, die 30er Marke freiwillig zu unterschreiten, ist ungewiss. Ihr jüngstes inoffizielles Angebot besagte: Wir schalten ein paar Akws sofort ab, wenn die anderen dafür um so länger laufen dürfen.

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