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Somalia: Rückfall in die Anarchie

Mogadischu erlebt die schwersten Kämpfe seit Jahren - Islamistische Milizen wollen die Stadt zurückerobern.

Drei Monate nach der Vertreibung der islamistischen Milizen aus der Hauptstadt Mogadischu droht Somalia ein Rückfall in die Anarchie. Seit der Wochenmitte ist Mogadischu erneut von schweren Kämpfen erschüttert worden, bei denen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen fast 120 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 200 verletzt worden sind. Und bei den schwersten Kämpfen seit Wochen sind am Samstag nach Meldungen der somalischen Nachrichtenagentur Shabelle rund 60 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden. Die Straßen seien von Leichen übersät und das Medina-Krankenhaus überfüllt. Erst im letzten Monat waren bei anhaltenden Gefechten über 1000 Somalis getötet worden. Das Komitee vom Roten Kreuz (RK) spricht inzwischen von den schwersten Kämpfen seit der Vertreibung des Diktators Siad Barre vor 16 Jahren.

Somalia hat seit 1991 keine echte Zentralregierung. Gleichzeitig haben die Vereinten Nationen am Samstag vor einer Tragödie für das Land gewarnt. Fast ein Drittel der rund eine Million Einwohner von Mogadischu soll die weitgehend zerbombte Stadt seit Anfang Februar verlassen haben, teilte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen in Nairobi mit. Den meisten der Flüchtlingen mangele es an Wasser und Nahrung, hieß es aus UN-Kreisen. Wenn die Gefechte nicht sofort aufhörten und der Weg für Hilfsgüter vor allem um Mogadischu frei gemacht werde, könne die Krise sehr bald in eine Katastrophe münden, sagte Eric Laroche, UN-Hilfskoordinator für Somalia, in Genf. Somalische Regierungstruppen versperren angeblich Lieferungen zu Tausenden von Flüchtlingen. Zudem haben das Land eine Cholera- und eine Durchfall-Epidemie ergriffen, sagte Laroche.

Nach Einschätzung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist eine „Koalition der Willigen“ nötig. In einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat, der jetzt bekannt wurde, fordert Ban die 15 Mitgliedstaaten zu einer eingehenden Prüfung der Lage in dem nordostafrikanischen Land auf. Es gehe um die grundlegende Frage, ob in Somalia eine konventionelle UN-Friedenstruppe Erfolg haben könnte oder ob mehr nötig sei, um die Sicherheitslage unter Kontrolle zu bekommen.

Die Erfahrung lehrt, dass die Stabilität in Somalia stark an die Entwicklung in Mogadischu gekoppelt ist. Umso beunruhigender ist nach Ansicht der International Crisis Group in Nairobi die jüngste Eskalation der Gewalt. Die somalische Kapitale soll inzwischen einer Geisterstadt gleichen. Wer noch nicht aufs Land geflohen ist, hortet Lebensmittel und verbarrikadiert sich in seiner Behausung. Örtliche Milizen und versprengte islamistische Kämpfer haben in den letzten Wochen ihre Angriffe auf somalische Regierungstruppen und die mit ihnen verbündete äthiopische Armee verstärkt.

Somalische Soldaten hatten im Dezember und Januar mit starker Unterstützung der Äthiopier die in weiten Teilen des Landes herrschenden Islamisten von der Macht verdrängt und in den Süden des Landes gejagt. Augenzeugen berichten, dass vor allem die äthiopische Armee, die mit ihrer Intervention ein Übergreifen des somalischen Konflikts auf die äthiopische Provinz Ogaden verhindern will, bei ihrer „Anti-Terror-Offensive“ in Mogadischu wenig zimperlich vorgeht. Ganze Stadtviertel sollen längere Zeit mit Panzern und Hubschraubern unter Beschuss genommen worden sein, darunter auch Märkte und Wohnblocks. Bei den meisten Verletzten und Toten soll es sich um Zivilsten handeln. Nach Angaben der International Crisis Group geht zumindest ein Teil der Unruhen auf das Konto der in Mogadischu verbliebenen Islamisten, die im letzten Sommer kurzzeitig die Kontrolle über die Hauptstadt übernommen hatten.

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