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Politik: Sonderzug nach Pjöngjang

Erstmals nach 56 Jahren verbindet die Bahn Korea

Es war im Winter 1950, zwischen Nord- und Südkorea tobte der Krieg, als Zugführer Han Chun Ki zum letzten Mal mit der Eisenbahn nach Nordkorea fuhr. Wenige Wochen später begannen chinesische und nordkoreanische Truppen einen Offensive. Die Eisenbahnverbindungen wurden unterbrochen. 56 Jahre rollte keine Züge mehr zwischen den beiden Koreas. Die Gleise, einst von den japanischen Besatzern verlegt, wuchsen zu. Die Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrades wurde zur am schärfsten bewachten Grenze der Erde.

Am Donnerstag stieg Han wieder in einen Zug. Der Bahnsteig in der südkoreanischen Grenzstadt Munsan war mit roten Teppichen ausgelegt. Die fünf Wagons, gezogen von einer rot-weißen Diesellok, fuhren nur 27 Kilometer weit. Doch zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert rollten wieder – live von allen südkoreanischen TV-Sendern übertragen – Züge zwischen den beiden Landeshälften. Während Han vom Süden aus in die nordkoreanische Industriestadt Kaesong reiste, fuhr gleichzeitig vom Norden aus eine Bahn vom Kumgang-Gebirge in das südkoreanische Jejin. An einem Waggon hing ein Banner mit der Aufschrift: „Der Zug, mit dem einst der Große Präsident Kim Il Sung fuhr“. Die beiden Koreas sind bis heute hermetisch voneinander abgeriegelt. Der frühere US-Präsident Bill Clinton nannte den Todesstreifen zwischen den beiden Koreas einmal den „furchterregendsten Ort der Welt“.

Weil man sich 1953 nur auf einen Waffenstillstand einigte, sind beide Koreas bis heute formal im Kriegszustand. Es gibt keine Telefonverbindungen, keinen Briefverkehr und fast keine Straßen, die beide Seiten verbinden. Im Gegensatz zu der deutschen Teilung konnten Koreaner über Jahrzehnte auch nicht zu Familienbesuchen in den anderen Landesteil reisen, obwohl Zehntausende durch den Krieg von ihren Angehörigen getrennt worden waren. Erst nach dem Gipfeltreffen im Jahr 2000, als der damalige südkoreanische Präsident und spätere Friedensnobelpreisträger Kim Dae Jung nach Pjöngjang reiste, erlaubte Nordkorea vereinzelt innerkoreanische Familientreffen. Zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert sahen Eltern ihre Kinder, Eheleute ihre einstigen Partner wieder.

Südkoreas Präsident Roh Moo Hyun nannte die Zugfahrten einen „bedeutenden Prozess für den Frieden“. Der Vertreter des Nordens, Staatsrat Kwon Ho Ung, erklärte vor der Abfahrt in Munsan, dass die beiden Koreas den Prozess der Annäherung nun „nicht entgleisen lassen“ dürften. Sieben Jahre lang hatte Seoul mit dem Norden verhandelt, ehe der Diktator Kim Jong Il der Eisenbahnverbindung zustimmte. Ein vor einem Jahr geplanter Testlauf musste wegen Widerstand aus Pjöngjang abgesagt werden. Nordkorea ist das am meisten abgeschottete Land der Erde. Außer chinesischen Geschäftsleuten darf jede Woche nur eine Handvoll Touristen ins Land.

Harald Maass[Peking]

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