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Politik: Sowohl als auch

Die EU will ihre Institutionen reformieren, aber dennoch auf Erweiterung nicht verzichten / Mehr Zusammenarbeit bei Migration

Die Europäische Union will bei künftigen Erweiterungen ihre Fähigkeit zur Aufnahme neuer Mitglieder stärker berücksichtigen. Gleichzeitig will die EU ihre Zusagen an die derzeitigen Erweiterungskandidaten – darunter die Türkei – einhalten. Darauf verständigte sich der EU-Gipfel am Freitag in Brüssel. Allerdings waren sich die Mitgliedstaaten nicht einig, ob vor künftigen Erweiterungen eine Verfassungsreform der Union stehen muss. Die Mehrzahl der Staaten, darunter Großbritannien, lehnte einen Vorschlag Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs ab. Der luxemburgische Premierminister Jean- Claude Juncker sagte dem Tagesspiegel: „Mir wäre es lieber gewesen, wenn wir den Zusammenhang zwischen Vertiefung und Erweiterung etwas deutlicher gemacht hätten.“

Juncker bekräftigte seine Auffassung, dass die EU ohne eine Verfassungsreform keine neuen Staaten aufnehmen dürfe. Davon nahm der luxemburgische Regierungschef ausdrücklich Kroatien aus, das wie die Türkei mit der EU über einen Beitritt verhandelt. Der Beitritt Kroatiens ist frühestens Ende 2009 vorgesehen. Mit Blick auf Befürworter möglichst rascher Erweiterungsschritte sagte Juncker: „Diejenigen, die noch nicht begriffen haben, dass wir eine Straffung der Entscheidungsmechanismen in der EU brauchen, werden es spätestens dann begriffen haben, bevor es zu spät ist.“ Großbritannien, skandinavische und osteuropäische Mitgliedsländer befürworten eine umfassende EU-Erweiterung.

Eine Wiederbelebung der auf Eis liegenden europäischen Verfassung gehört zu den Aufgaben der im Januar beginnenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte nach dem Gipfel: „Wir haben den Ehrgeiz, die EU ein Stück voranzubringen.“ Am 26. Januar ist in Madrid ein Treffen der 18 EU-Staaten geplant, die die Verfassung inzwischen ratifiziert haben. Sie war bei Referenden in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt worden.

Der EU-Gipfel einigte sich auch auf einen Rahmen für eine europäische Einwanderungspolitik. Die EU-Staaten verständigten sich darauf, im kommenden Jahr verstärkt gegen illegale Zuwanderung vorzugehen. So sollen Grenzkontrollen verstärkt und die Beschäftigung von illegalen Einwanderern bekämpft werden. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll rasch ausgebaut werden, damit sie ihre Aufgaben an den EU-Außengrenzen bewältigen kann. Im Gegenzug will die EU prüfen, wie die legale Einwanderung in die Außenpolitik der Union eingebaut werden kann. Die EU-Kommission soll bis Juni 2007 einen Vorschlag machen, um den Dialog zwischen der EU und Staaten im Osten und Südosten zu verbessern. Die Partnerschaft mit Nachbarregionen soll dabei zudem auf die Bedürfnisse der Arbeitsmärkte der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten abgestimmt sein. Die EU-Einwanderungspolitik solle „den Mitgliedstaaten dabei helfen, den bestehenden und künftigen Bedarf an Arbeitskräften zu decken und einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung aller Länder zu leisten“, heißt es in der Gipfel-Erklärung. Insbesondere soll die „zirkuläre und temporäre Migration erleichtert werden“. Mit anderen Worten: Einwanderer, die sich zur Rückkehr verpflichtet haben, können vorübergehend in der EU eine Arbeit aufnehmen. Dies hatten Deutschland und Frankreich Ende Oktober vorgeschlagen. In der Abschlusserklärung wird allerdings auch darauf verwiesen, dass die Einwanderungspolitik Sache der EU-Mitgliedstaaten ist.

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