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Politik: Sozial in Großbuchstaben

Präsidentschaftskandidat Köhler wirbt bei den CDU-Arbeitnehmern für sich – mit Erfolg

Von Robert Birnbaum

Das Gespräch hat ein bisschen den Charakter von Friedensverhandlungen gehabt. Denn Horst Köhler ist für manchen aufrechten Arbeitnehmervertreter in der Union nicht von Anfang an ein Kandidat des Herzens; eher im Gegenteil. Ex-Finanzstaatssekretär, Ex-Sparkassenchef, Ex-Währungsfondschef – alles Posten, die nicht als Hort des Sozialen gelten und die daher bei der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) ein leises Grundmisstrauen hervorgerufen haben, ob ein Bundespräsident Köhler nicht die soziale Kälte in der Republik noch um ein paar Minusgrade weiter absenken würde. Dass die FDP dem Kandidaten so umstandslos zustimmte, hat das Misstrauen nicht verringert, seine bisherigen öffentlichen Bekenntnisse zur Reformfreude die Vorbehalte nicht direkt vermindert: Ein „lupenreiner Wirtschaftsmann“ schien da dem Schloss Bellevue zuzustreben, beschreibt ein CDA-ler böse Vorahnungen in der organisierten Arbeitnehmerschaft.

Der gehören in der Bundesversammlung so um die 140 der Wahlmänner und -frauen an – genug, um dem Kandidaten die Wahl zu vermasseln. Der Begegnung zwischen dem CDA-Vorstand und dem Kandidaten am Mittwochabend in Berlin sahen folglich beide Seiten mit einiger Anspannung entgegen. Dass es das erste Treffen mit einer CDU-Untervereinigung war, zeigt, dass auch CDU-Chefin Angela Merkel es vergleichsweise eilig hatte, Vorbehalte gegen ihren Kandidaten nicht weiter wuchern zu lassen.

Nach zweieinviertel Stunden angeregter Debatte jedoch herrscht eitel Sonnenschein. Der Wirtschaftsmann hat ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft abgelegt. „Sozial groß geschrieben“, freut sich ein Teilnehmer. Dass die Globalisierung nicht erduldet, sondern gestaltet werden müsse, dass diese Gestaltung ein weltweites Ethos erfordere – das hörte die Spitze der einst als Sozialausschüsse groß gewordenen CDU-Unterorganisation gerne.

Wobei es Köhler offenbar gelang, solche öffentlich bisher von ihm eher selten zu hörenden Töne nicht nur als Lippenbekenntnisse eines Werbers in eigener Sache wirken zu lassen. Der Mann, erwartet ein Teilnehmer des Gesprächs, werde die Debatte über die Ethik des Wirtschaftens als Präsident befruchten und damit ein Stück geistige Orientierung geben: „Ich glaube, von ihm kann man sehr viel erwarten.“ Dafür kann Köhler jetzt wohl sicher sein, dass ihm von dieser Seite am Wahltag am 23. Mai keine Gefahr droht. „Er wird gewählt werden“, sagt ein CDA-Spitzenmann voraus. „Und zwar im ersten Wahlgang.“

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