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Sozialdemokratie: SPD sieht Status als Volkspartei schwinden

Die Sozialdemokraten wollen ihre Partei mit einem Thesenpapier grundlegend reformieren. Seit 1990 hat sie 40 Prozent ihrer Mitglieder eingebüßt.

Die SPD will nach ihrer dramatischen Niederlage bei den letzten Bundestagswahlen ihr Programm und ihre Organisation grundlegend reformieren. Zu diesem Zweck wurde ein Papier erarbeitet, das aus "zwölf Thesen zur Erneuerung der SPD" besteht. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles wollen das Thesenpapier dem 45-köpfigen Parteivorstand auf einer Klausurtagung am Sonntag vorschlagen. Das Ziel der Reform sei, die SPD in bundesweiten Gesprächsforen und "Zukunftswerkstätten" verstärkt auch für Nichtmitglieder zu öffnen.

Das Thesenpapier setzt sich äußert selbstkritisch mit der eigenen Regierungspolitik der vergangenen elf Jahre auseinander. Darin räumt die SPD-Führung ein, Versäumnisse gemacht zu haben. In Deutschland seien im Zuge eines weltweiten neoliberalen Trends die Vermögens- und Einkommensunterschiede zwischen Reichen und Armen größer geworden, die Chancenungerechtigkeit in der Bildung habe sich verschärft, und sozialer Aufstieg sei schwerer geworden. Die SPD-Führung habe diesen Trend durch ihre Politik nicht grundlegend aufhalten können.

Für den "dramatischer Vertrauensverlust" der SPD bei der Wahl sehen Gabriel und Nahles "keine einzelne Ursache". Er sei vielmehr Ergebnis eines "kontinuierlichen Erosionsprozesses des Vertrauens und des Zutrauens in die Politik der SPD". Die Abwanderung der Wähler sei "milieuübergreifend und in alle Richtungen" erfolgt. Es fehle der Partei ein klares Profil, emotionale Anziehungs- wie Überzeugungskraft, Kompetenz und Vertrauen in wichtigen Politikfeldern.

Im Mittelpunkt einer neuen SPD-Politik müsse nun wieder die Stärkung des Zusammenhalts in der Gesellschaft stehen. "Für alle Menschen muss ein sicheres Leben und Anschluss und Aufstieg durch Leistung und Anstrengung möglich sein." An diesem Ziel hätten sich alle SPD-Reformvorschläge und die programmatische Erneuerung der Partei zu orientieren.

Der schwarz-gelben Koalition wirft die SPD vor, mit ihrer Steuer- und Klientelpolitik dem Freiheitsbegriff der Verfassung den inneren Gehalt zu rauben. Freiheit werde reduziert auf die Abwesenheit des Staates. Hinter der "Befreiung von staatlichen Steuern" und der politischen Verantwortung des Staates verberge sich in Wahrheit die Abkehr vom Gemeinwohl. "Aus der Freiheit für alle wird die Freiheit weniger, die sich all jenes privat leisten können, was ein seiner Handlungsmöglichkeiten beraubter Staat allen nicht mehr zur Verfügung stellen kann: Bildung, soziale Sicherheit, kulturelle Vielfalt und innere Sicherheit."

Die SPD sei zwar in der Opposition, sehe sich allerdings nicht als Regierungspartei im Wartestand. Diese neue Rolle müssten Partei und Bundestagsfraktion annehmen, heißt es in dem Papier. Kritik an der "Rechts-Koalition" allein werde nicht ausreichen. Die SPD müsse auf allen zentralen Feldern der Politik konkrete Alternativen vorlegen. Dies gelte insbesondere für die Themen wirtschaftliches Wachstum und Umwelt, Bildung und Integration, Arbeit und soziale Sicherheit, Familien- und Generationengerechtigkeit.

In einem Arbeitsprogramm kündigt die SPD für dieses Jahr die Einrichtung mehrerer "Zukunftswerkstätten" an, in denen die Partei auch den Dialog mit Nichtmitgliedern und gesellschaftlichen Organisationen führen will. Eine "Reformwerkstatt" soll sich mit der Erneuerung der Parteistruktur befassen. Kritisch wird angeführt, dass die SPD seit 1990 rund 40 Prozent ihrer Mitgliedschaft verloren habe. Aufgrund der Altersstruktur werde die Partei in den kommenden fünf Jahren weitere Mitglieder verlieren. Die Folgen seien ein Verlust von Beiträgen und ein starker Personalabbau in der Fläche. Von den 10.000 Ortsvereinen hätten über die Hälfte weniger als 50 Mitglieder.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa

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