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Sozialpolitik: Geteiltes Renten-Land

Die SPD fordert eine Angleichung der Altersbezüge im Osten auf das Westniveau bis 2019 – doch die Kanzlerin will sich nicht festlegen.

Berlin - Vielleicht hätte Wolfgang Tiefensee das Vorhaben ein wenig anders formulieren sollen. „Zu einer Kultur der Anerkennung gehören auch gleiche rentenrechtliche Regelungen in Ost und West, die wir innerhalb des nächsten Jahrzehnts verwirklichen wollen“, schrieb der Beauftragte für die neuen Bundesländer im Entwurf seines Berichts zur Deutschen Einheit. Die Passage findet sich – wortgleich – in einem kürzlich vorgelegten elfseitigen SPD-Programm aus der Feder von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier.

Die Bundeskanzlerin ließ ihren SPD-Minister zurückpfeifen. Zwar gebe es in der Regierung derartige Überlegungen, heißt es laut „Spiegel“ in einem Kanzleramts- Schreiben an Tiefensee. Jedoch sei die Meinungsbildung zum Thema Rentenangleichung noch nicht abgeschlossen. „Daher sollten wir es unbedingt vermeiden, in einem Bericht der Bundesregierung hierzu Vorfestlegungen zu treffen.“

Eine Festlegung zum jetzigen Zeitpunkt würde der Regierung ein Problem bescheren: Sie müsste sagen, wie sie die Rentenangleichung zu finanzieren gedenkt. Aktuell liegt der Rentenwert Ost bei 88 Prozent des Westniveaus. Würden die Bezüge der Ostrentner angeglichen, müssten die Rentenbeiträge steigen oder mehr Steuermittel fließen. Andererseits machen die Ostländer Druck. Für Oktober ist unter Federführung Thüringens eine Bundesratsinitiative angekündigt. Die Regierung solle Vorschläge für eine schnelle Anpassung machen. Die unterschiedliche Anrechnung der Altersbezüge sei 18 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht mehr vermittelbar.

Auch für den haushaltspolitischen Sprecher der SPD, Carsten Schneider, hat die Angleichung „politische Priorität“. Sie müsse „so schnell wie möglich“ erfolgen, sagte er dem Tagesspiegel. Schließlich müssten künftig viele wegen gebrochener Erwerbsbiografien mit niedrigeren Renten rechnen, und im Osten speise sich das Alterseinkommen zu 90 Prozent daraus. Die Kosten der Angleichung bezifferte der Thüringer Abgeordnete auf sechs Milliarden Euro. Finanzieren müsse man sie aus Steuern wie aus Beitragsmitteln, sagte Schneider. Es sei „zu fragen, ob alle Leistungen, die bisher aus der Rentenversicherung bezahlt werden, so wichtig sind wie die Rentenangleichung“. Gleichzeitig benötige man für diesen Schritt aber höhere Beitragseinnahmen. „Ohne Mindestlöhne wird es also nicht gehen.“

Man brauche endlich „ eine verlässliche Perspektive zur Überwindung des Rückstandes bei den Rentenwerten“ drängt auch der Präsident der Volkssolidarität, Gunnar Winkler. Die Differenz betrage 12,1 Prozent – für den sogenannten Eckrentner also 144,90 Euro weniger im Monat. Allerdings müsse der Ausgleich allein über Steuern finanziert werden. Für die Vollendung der deutschen Einheit hätten nicht die Beitragszahler aufzukommen.

Der Rentenwert wird jährlich festgelegt und bildet die Basis der Rentenberechnung. Er entspricht der Monatsrente aus Beiträgen eines Durchschnittsverdieners für ein Jahr. Die Rentenanhebung im Juli um 1,1 Prozent hat den Abstand noch vergrößert. Sie führte dazu, dass der Rentenwert West um 29 Cent auf 26,56 Euro stieg, im Osten aber nur um 25 Cent auf 23,34 Euro. Der Standardrentner West mit 45 Beitragsjahren erhielt im Monat folglich 1,80 Euro mehr als der im Osten.

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