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Sozialpolitik: Rüttgers' Renten-Vorstoß in der Kritik

Politiker aus SPD und CSU haben Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in der Renten-Debatte scharf attackiert. Das System habe sich bewährt, verkündete Sprecher Thomas Steg die Linie der Bundesregierung. Eine Sicht, die die Rentner offenbar nicht teilen.

Mit seinem Vorstoß für eine höhere Rente für langjährige Beitragszahler ist der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) auf breiten Widerstand auch in der eigenen Partei gestoßen. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel wie auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (beide CDU) machten ihre Ablehnung deutlich. Die Rentenhöhe bemesse sich an der Beitragshöhe und nicht an den Beitragsjahren, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Das Bundesarbeitsministerium unter Olaf Scholz (SPD) rief Rüttgers auf, sich eher um die Lohnhöhe zu kümmern, an der sich die Rentenhöhe ausrichte.
   
Die Kanzlerin habe wiederholt betont, dass es mit ihr in der Rente keinen Systemwechsel geben solle, sagte Steg. "Es gibt in der Bundesregierung eine klare Haltung: Das Rentensystem hat sich bewährt." Eventuelle Anpassungen oder Verbesserungen sollten innerhalb des Systems erfolgen. "Ich kann nur davor warnen, nun beim Thema Altersarmut in Populismus zu verfallen", sagte der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Klaus Brandner (SPD), dem "Handelsblatt". Er wies auch die Forderung des SPD-Arbeitnehmerflügels nach einer Mindestrente oberhalb der Grundsicherung zurück.
   
Ablehnung von CDU und FDP

Rüttgers hatte eine höhere Rente für mehr Beitragsjahre nach dem Vorbild des Arbeitslosengeldes I vorgeschlagen. "Wer lange in die Rentenkasse eingezahlt hat, muss mehr Rente bekommen als nur die Grundsicherung", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Heute kriegen Arbeitnehmer, die etwa 35 Jahre lang geringe Beträge eingezahlt haben, eine Rente, die nicht höher ist als die Grundsicherung." Die SPD-Arbeitnehmer hatten am Wochenende auf ihrem Bundeskongress in Kassel eine Mindestrente gefordert. Auch dies lehnte Brandner ab.

Unionsfraktionschef Kauder sagte in der ARD, er gebe Rüttgers' "Vorschlag keine großen Chancen". Zur Begründung führte er an, dass der Vorstoß bedeuten würde, "dass auch derjenige, der eine höhere Rente bekommt, noch eins obendrauf bekommt, weil jeder Beitragseuro nach dem Grundgesetz gleich behandelt werden muss".

Auch die FDP wies die Idee von Rüttgers zurück. "Eine Sockelrente ist willkürlich, populistisch und schafft neue Ungerechtigkeiten", erklärte deren Sozialexperte Heinrich Kolb. Für Geringverdiener schlug er vor, dass private und betriebliche Vorsorge nur zum Teil auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden sollten. Linksfraktionschef Oskar Lafontaine forderte real steigende Löhne und dass dann die Renten wieder den Löhnen folgen müssten.

Rentner kündigen Proteste an

Zustimmung erhielt Rüttgers vom SPD-Linken Ottmar Schreiner. "Wer mehrere Jahrzehnte gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, muss eine Rente erhalten, die deutlich oberhalb der sozialen Grundsicherung liegt", sagte Schreiner der "Passauer Neuen Presse". Zugleich forderte er, dass Reiche mehr in die Rentenkassen einzahlen sollen. Alle, auch Selbstständige, sollten Beiträge zahlen. Die Beitragsbemessungsgrenze solle bei gleichzeitiger Deckelung der Rentenhöhe abgeschafft werden. "Man braucht einen neuen sozialen Ausgleich."

In der ARD-Sendung "Anne Will" machte sich Schreiner am Sonntagabend für eine Mindestrente von rund 800 Euro monatlich stark. "Arbeit darf nicht arm machen - weder in der Gegenwart bei der Arbeit noch in der Zukunft im Alter", forderte er. Als "vollständig abwegig" wies er die Unterstellung zurück, Rentner dächten nur an sich selbst und seien "geldgeile Raffkes".
   
Für den späten Nachmittag wurden in Braunschweig etwa 2500 Rentner zu Protesten gegen die Sozial- und Rentenpolitik der Bundesregierung erwartet. Nach einer Andacht im Dom wollten sich die Teilnehmer zu einem "stillen Protest" versammeln, wie Walter Bromberger von der Initiative "Rentner machen mobil" ankündigte. Er beklagte, die Renten hielten mit den steigenden Preisen bei Weitem nicht Schritt. Rentner würden gegen ihren Willen zu Außenseitern in der Gesellschaft - da helfe auch der "Wahlgeschenk-Versuch" einer 1,1-prozentigen Rentenerhöhung nicht. Zu der Protestaktion hätten sich Rentner unter anderem aus dem Rhein-Main-, dem Ruhrgebiet, Hamburg und Halle angemeldet. (nim/feh/dpa/AFP)

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