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Sozialreport 2010: Mauer in den Köpfen fällt nur langsam

Auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung hält eine Mehrheit die Einheit noch nicht für vollendet, so das Ergebnis einer Studie. Am Dienstag wurde mit einem Festakt im Berliner Kronprinzenpalais an die Unterzeichnung des Einigungsvertrages erinnert.

Berlin - 20 Jahre nach der Unterzeichnung des Einigungsvertrags sehen die Deutschen die Einheit noch immer zwiespältig. In den neuen Bundesländern schätzen nur 17 Prozent die deutsche Einheit als weitgehend vollendet ein, in den alten Bundesländern 47 Prozent. Das ist ein Ergebnis des Sozialreports 2010, den der Sozialverband Volkssolidarität am Dienstag in Berlin präsentierte.

Bei einem Festakt im Berliner Kronprinzenpalais, mit dem an die Unterzeichnung des Einigungsvertrags am 31. August 1990 am gleichen Ort erinnert wurde, verwies Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) darauf, dass manche Prozesse einfach Zeit bräuchten. Schon damals sei klar gewesen: „Jahrzehnte kommunistischer Planwirtschaft und ihre Folgen lassen sich nicht über Nacht berichtigen, aber jeder weiß, dass es jetzt eine Chance zur eigenen Gestaltung gibt.“ Den Einigungsvertrag bezeichnete Merkel als „wegweisend“ und „fundamental“. Sie betonte Deutschlands Verantwortung für Freiheit und Demokratie. Die Deutschen müssten international für das kämpfen, was ihnen selbst gelungen sei. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) kritisierte die geringe Änderungsbereitschaft im Westen des Landes. Deutschland hätte von der DDR „ruhig ein bisschen mehr übernehmen können als das Ampelmännchen oder den grünen Pfeil“. Grundsätzlich sei der Einigungsvertrag aber ein Meisterwerk von Politik und Verwaltung.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verteidigte derweil seine umstrittenen Äußerungen zum „Anschluss“ der DDR durch die Bundesrepublik. Bei aller Freude über die deutsche Einheit müsse auch erlaubt sein, bestimmte Dinge in ihrem Verlauf kritisch zu sehen. Es sei Tatsache, dass ein Teil der Menschen noch nicht „mit Hirn und Herz“ im vereinigten Deutschland angekommen sei, sagte er in Potsdam.

In der Studie des Verbandes heißt es weiter, dass 35 Prozent der Befragten in Westdeutschland finden, dass sich ihre Situation durch die Vereinigung verschlechtert habe. Im Osten sind nur 24 Prozent dieser Meinung. 52 Prozent der Westdeutschen gehen davon aus, dass es dem Osten inzwischen besser oder teilweise besser gehe als dem Westen. 75 Prozent der Ostdeutschen sehen das genau umgekehrt. Für die vom Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg (SFZ) erarbeitete Studie wurden 2090 Bürger aus allen sozialen Schichten und aus allen Bundesländern befragt.

Dass sich ein Teil der Bürger in Ost- (neun Prozent) und Westdeutschland (elf Prozent) die Mauer zurückwünscht, hängt nach Ansicht von Volkssolidarität-Präsident Gunnar Winkler mit der sozialen Lage nach 20 Jahren Einheit zusammen. Die Forderung sei nicht restaurativ zu verstehen. „Sie resultiert aus den gegenwärtigen Lebensverhältnissen.“ Zwar will mehr als die Hälfte der Ostdeutschen die DDR nicht wiederhaben, fühlt sich aber auch in der Bundesrepublik noch nicht richtig wohl. Grundsätzlich hält eine Mehrheit von 56 Prozent die Unterschiede zwischen Ost und West noch immer für groß und glaubt nicht, dass sich dies in den kommenden Jahren ändert. Demnach halten sie das Ziel der Koalitionsvereinbarung von Schwarz-Gelb, die Lebensverhältnisse bis 2019 weitgehend anzugleichen, für nicht realistisch.mit dpa/ddp

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