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Ein Skandal und noch kein Ende: Hat die NSA auch die französische Botschaft in Washington ausgespäht? Paris ist empört, die USA wiegeln ab.

© dpa

Spähte die NSA Frankreich aus?: Enthüllungen und Dementis

Ein Skandal und noch kein Ende: Hat die NSA auch die französische Botschaft in Washington ausgespäht? Paris ist empört, die USA wiegeln ab.

Alles nicht so schlimm – so lautet das Motto der USA in der Affäre um die von der Zeitung „Le Monde“ enthüllte massive Ausspähung französischer Telefon- und Internetverbindungen durch US-Geheimdienste. Washington sucht weiter durch abwiegelnde Dementis der Empörung in Paris den Boden zu entziehen. Am späten Dienstagabend wies US-Geheimdienstdirektor James Clapper den Bericht als „fehlerhaft“ zurück. Der Bericht, der sich nach Angaben der Zeitung auf Dokumente des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden stützt, enthalte „ungenaue und irreführende Informationen“, sagte Clapper. Als falsch bezeichnete er den Hinweis, dass während einer Periode von 30 Tagen – vom 10. Dezember 2012 bis 8. Januar 2013 – 70,3 Millionen Telefonverbindungen in Frankreich überwacht worden seien, an einzelnen Tagen bis zu sieben Millionen.

Der Erklärung des US-Geheimdienstdirektors war am Dienstag eine weitere für die USA peinliche Enthüllung durch „Le Monde“ vorausgegangen. Wie die Zeitung berichtete, habe der US-Geheimdienst NSA jahrelang die französische Botschaft in Washington sowie die UN-Vertretung Frankreichs in New York ausspioniert. Das gelang der NSA, indem sie Spionage-Software („Spyware“) in die Programme der Rechner der Pariser Vertretungen einschleuste. Mit einem anderen Programm sei es den NSA-Horchern gelungen, die internen Kommunikationskanäle der französischen Vertretungen anzuzapfen und sich wie ein stummer Teilnehmer in Telefonkonferenzen der Diplomaten einzuschalten.

Mit den auf diese Weise gewonnenen Informationen sei es Washington möglich gewesen, sich ein „wahres Bild“ von den Absichten der französischen Diplomatie zu verschaffen, berichtete die Zeitung. Das habe zum Beispiel im Juni 2010 „eine große Rolle“ gespielt, als es um die Durchsetzung einer Resolution zur Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran im UN-Sicherheitsrat ging. In einer internen Note sei dies damals als „stiller Erfolg“ bei der Formulierung der US-Außenpolitik gefeiert worden.

Es war einmal. Die Franzosen schenkten Amerika einst die Freiheitsstatue als Symbol der Befreiung. Nun kriselt die Freundschaft ob der NSA-Überwachung.
Es war einmal. Die Franzosen schenkten Amerika einst die Freiheitsstatue als Symbol der Befreiung. Nun kriselt die Freundschaft ob der NSA-Überwachung.

© AFP

Ähnlich wie Geheimdienstdirektor Clapper hatte sich zuvor am Dienstag auch US-Außenminister John Kerry bei dem Gespräch vernehmen lassen, zu dem ihn sein französischer Amtskollege Laurent Fabius am frühen Dienstagmorgen im französischen Außenministerium empfangen hatte. Nach Zeitungsberichten soll er dabei darauf verwiesen haben, dass es sich bei den Abhöraktionen um Praktiken handele, die von der früheren US-Regierung hinterlassen worden waren und nun einer Prüfung unterzogen würden. Den französischen Außenminister soll er zudem darum gebeten haben, die Affäre nicht weiter in der Öffentlichkeit auszubreiten, sondern „über diplomatische Kanäle“ zu regeln.

Auch bei einer Pressekonferenz in der Pariser US-Botschaft hatte sich Kerry bemüht, die Späh-Affäre herunterzuspielen. Dabei bediente sich der US-Außenminister derselben Worte, die zuvor der Sprecher des Weißen Hauses in Washington gebraucht hatte, wonach die USA mit dem Sammeln von Nachrichten nur tun, „was alle Staaten tun“. Dem Reporter von „Le Monde“ wurde bei dieser Pressekonferenz nicht erlaubt, eine Frage zu stellen.

Ungeachtet des Ansinnens Kerrys, die Affäre auf diplomatischem Wege zu behandeln, entschloss sich Frankreichs Präsident François Hollande, das Thema beim EU-Gipfel zur Sprache zu bringen, der an diesem Donnerstag in Brüssel beginnt. In der Nacht zum Dienstag hatte Hollande in einem Telefongespräch US-Präsident Barack Obama seine „tiefe Missbilligung“ ausgedrückt.

Nach einer Ministerratssitzung in Paris hieß es, Frankreich verlange von den USA unter anderem alle Informationen, die in Snowdens Besitz sein könnten. Grundsätzlich seien sich die Staatschefs aber einig, dass die für die Terrorabwehr notwendige Datensammlung durch Geheimdienste in einem festgelegten Rahmen erfolgen müsse. Dieser lasse sich am besten bilateral bestimmen.

Doch die Empörung scheint nicht allzu groß zu sein. Angesichts der Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit der Geheimdienste zur Terrorabwehr hieß es am Mittwoch in Paris, beide Seiten seien bereit, eine Eskalation zu vermeiden und den Streit hinter verschlossenen Türen beizulegen.

Hans Hagen Bremer[Paris]

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