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Kinderglück. Annegret Raunigk mit einem ihrer 13 Kinder. Jetzt ist sie wieder schwanger.

© dpa

Späte Schwangerschaft: Frau Raunigk geht voran

Annegret Raunigk ist 65 Jahre alt und erwartet Vierlinge. Eine solche Frau darf kein Vorbild sein, fordern Politiker. Sie ist mehr als das, sie ist Pionierin. Das Verbot von Eizellspenden ist durch nichts zu rechtfertigen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Erstaunt war der Arzt von Annegret Raunigk, als sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählte. Eingeweiht in ihren Plan, sich in der Ukraine befruchtete Eizellen einsetzen zu lassen, sei er nicht gewesen, sagte er. Besser so. Denn hätte er die dreizehnfache Mutter auch nur beraten, stünde womöglich bald die Staatsanwaltschaft vor der Tür. Eizellspenden sind zwar nur in Deutschland verboten und in der Ukraine erlaubt. Doch laut Gesetz kann sich der Gehilfe eine Straftat hierzulande strafbar machen „auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist“. In Bayern sind Ermittler schon dutzendfach in Frauenarztpraxen eingerückt.

Alle Welt mokiert sich über die Vierlingsschwangere im Großmutteralter, dabei ist Frau Raunigk zunächst einmal dies: ein Opfer. Opfer einer Rechtslage, die Frauen mit Kinderwunsch ins Ausland treibt, statt ihnen, unter besseren medizinischen Bedingungen, hier zu helfen.

Das – strafbewehrte – Verbot von Eizellspenden ist durch nichts zu rechtfertigen. Das Argument, eine gespaltene Mutterschaft verhindern zu wollen, ein Kind mit zwei Müttern, kann keines sein, wo es reichlich Kinder gibt, die glücklich mit zwei Vätern sind. Das Bundesverfassungsgericht sieht es sogar nach dem Motto: je mehr Eltern desto besser. Mehr Unterhalt, mehr Sicherheit. Zudem ist im deutschen Recht die weibliche Eizelle heilig und männlicher Samen ein Katalog- und Wegwerfprodukt. Zu erklären ist diese Unterscheidung nur mit wirkmächtigen Muttermythen, denen entgegenzutreten der Freiheit der Frau im 21. Jahrhundert zuträglicher wäre, als Männerdominanz in Aufsichtsräten zu beseitigen.

Immer später werden Frauen Mütter

Annegret Raunigk darf kein Vorbild sein, fordern Politiker. Sie ist mehr als das, sie ist Pionierin. Immer später werden Frauen Mütter. Weil es medizinisch möglich ist, weil Ausbildung und Job wichtiger sind. Alte Mütter sind Zeichen entwickelter Gesellschaften. Spät Mutter zu werden, ist Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts, genau wie früh oder gar nicht Mutter zu werden. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau, auch so ein Zeichen entwickelter Gesellschaften.

Der angehenden Pensionärin wird vorgehalten, sie belaste die Solidargemeinschaft mit ihrer Hochrisikoschwangerschaft. Nichts anderes tun Raucher oder Fallschirmspringer. Solidargemeinschaften sind ein Zeichen zivilen Fortschritts. Und Behinderungen der Kinder muss eine liberale Gesellschaft genauso akzeptieren wie die Fortpflanzung von Menschen mit Erbgutschäden.

Heute ist es üblich, Schwangere zu ihrer Schwangerschaft zu beglückwünschen. Das kam etwas kurz in der Diskussion um Frau Raunigk und ihre Kinder. Viel mehr braucht eine Schwangere nicht, Glück und Gesundheit. Vielleicht noch einen Partner. Aber davon hatte Frau Raunigk fünf und offenbar genug.

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