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Spahn und Gröhe streiten um CDU-Posten: Jungspund gegen Parteisoldat

Der Posten für Gesundheitsminister Hermann Gröhe im CDU-Präsidium galt eigentlich als sicher. Doch mit Jens Spahn gibt es nun noch einen Kandidaten. Und der ist keineswegs chancenlos.

s w

Wenn ein Bundesminister in der CDU für einen wichtigen Parteiposten kandidiert und sich im Vorfeld auch der mächtigste Landesverband auf ihn festgelegt hat, ist die Sache üblicherweise gelaufen. Hermann Gröhe müsste sich also keine Sorgen machen. Beim Bundesparteitag in zwei Wochen würde er – als Nachfolger für den ausscheidenden Philipp Mißfelder – von den Delegierten verlässlich ins CDU-Präsidium gewählt.

Niederlage in der Heimat

Tatsächlich ist es ungewisser denn je, ob dem einstigen Parteigeneral und engen Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel der ersehnte Aufstieg in die Parteispitze gelingt. Nicht nur, dass dem amtierenden Gesundheitsminister mit Jens Spahn ein deutlich Jüngerer aus dem gleichen Bundesland und mit dem gleichen Fachgebiet den Posten streitig machen will. Am vergangenen Wochenende hat Gröhe in durchaus vergleichbarer Konstellation auch schon mal zu spüren bekommen, wie Niederlagen schmecken.

Beim Versuch, in seiner niederrheinischen Heimat Bezirksvorsitzender zu werden, unterlag der 53-Jährige überraschend einem ebenfalls jüngeren, politisch ähnlich gestrickten Gegenkandidaten aus der Bundespolitik. Nach einer munteren Rede hatte der bisherige Bezirks-Vize und parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings, plötzlich drei Stimmen mehr als der Postenfavorit Gröhe. Und das, obwohl dieser vom scheidenden Bezirkschef Ronald Pofalla zum Wunschnachfolger ausgerufen worden war.

Gesundheitsexperte Jens Spahn (l.) und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe haben zwar das gleiche Fachgebiet. Ansonsten könnten sie unterschiedlicher nicht sein.
Gesundheitsexperte Jens Spahn (l.) und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe haben zwar das gleiche Fachgebiet. Ansonsten könnten sie unterschiedlicher nicht sein.

© dpa

Die Pofalla-Falle

Möglicherweise sei die Pofalla-Empfehlung ja ein Grund für Gröhes Niederlage gewesen, wird nun gemunkelt. Der resolute Wechsel des einstigen Kanzleramtschefs in den Bahn-Vorstand hat auch manchen an der Parteibasis geärgert. Andere indessen verweisen darauf, dass Gröhe mit seinen liebenswürdig vorgetragenen Allgemeinplätzen selbst zuhause keinen vom Hocker zu reißen vermag. In Berlin, als Minister, hat er das gleiche Problem. Und beim Bundesparteitag in Köln, als Präsidiumskandidat , womöglich auch.

Dabei ist Gröhe als Gesundheitsminister keineswegs eine Fehlbesetzung. Im Gegenteil: In der Szene sind sie des Lobes voll für den Quereinsteiger, der sich so schnell in die schwierige Materie einzuarbeiten vermochte. Und die Kanzlerin hätte keinen Besseren finden können für ihren Wunsch, die gefahrenträchtige Gesundheitspolitik aus den Schlagzeilen herauszuhalten. So wenig Zoff war selten auf diesem verminten Gelände. Das liegt nicht nur an guten Finanzen und großer Koalition, es liegt auch am Minister.

Gröhe - wer war das nochmal?

Gröhe macht sich klein in seinem Amt. Der Rundliche mit dem Stoppelschnitt – wer war das nochmal? In Talkshows lässt er anderen den Vortritt, nicht mal das Thema „Ebola“ hat er zur Profilierung genutzt. Das einzige, womit er auffiel, war sein Widerstand gegen Sterbehilfe und „Pille danach“. Doch der war weltanschaulich begründet.

Fachlich setzt Gröhe keine eigenen Duftmarken. Lieber arbeitet er ab, was andere ihm bis ins Detail aufgeschrieben haben. Karl Lauterbach aus der SPD. Und Jens Spahn, der Gesundheitsexperte aus den eigenen Reihen.

Ein "Rotzlöffel" mit Potenzial

Es hat was, dass ausgerechnet der nun im wichtigsten Parteigremium gegen seinen Minister antritt. Aber es passt auch zu dem wuchtigen 34-Jährigen, der so anders ist als Gröhe. Und parteiintern noch kein Scharmützel ausgelassen hat. Der sich von der Senioren-Union als „Rotzlöffel“ beschimpfen ließ, weil er von den Rentnern Mäßigung verlangte. Der immer wieder die Jungen in der Union zusammentrommelt, wenn er die „Generationengerechtigkeit“ in Gefahr sieht. Und der sich, als bekennender Homosexueller, auch gegen alle Konservativen seiner Partei stellt, um die steuerliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften durchzusetzen.
In den vergangenen Monaten hatten sich manche gewundert, dass sich Spahn so ruhig verhielt. Schließlich hatten sie ihn parteiintern abgemeiert wie kaum einen anderen nach der Wahl. Zeitweise selber als Gesundheitsminister gehandelt, bekam er – obwohl schon zum vierten Mal direkt in den Bundestag gewählt – am Ende weder einen Staatssekretärsamt noch irgendeinen Partei- oder Fraktionsposten von Bedeutung. Nun will er es wissen. Und die CDU hat ein Problem.

Die CDU braucht Jungpolitiker

Da ist einerseits der glanzlose, aber hocheffektive Minister, dessen Kampagnen als Generalsekretär die Partei auch ihren überragenden Wahlsieg verdankt. Und da ist dieser Spahn mit seiner jugendlichen Power und dem Potenzial des politischen Störenfrieds, unterstützt von der Junger Union (JU) und dem Wirtschaftsflügel. Den einen darf man nicht demontieren. Den anderen sollte man aber tunlichst auch nicht ausbremsen, denn unter einem Überschuss an agilen Jungpolitiker von Format leidet die CDU nicht gerade. Was wäre das für ein Signal!

Man könne ja auch beide ins Präsidium wählen, sagen manche in der Partei. Ihr Blick fällt dann auf die sechs anderen, die schon drin sitzen – und von denen einer oder eine weichen müsste. Letzteres ist in Quotenzeiten aber schon mal undenkbar, Emine Demirbüken-Wegner, die Integrationspolitikerin aus Berlin und Annegret Kramp-Karrenbauer, die saarländische Regierungschefin, haben ihre Posten sicher. Finanzminister Wolfgang Schäuble rauszuwählen geht auch nicht.

Bleiben David McAllister, Stanislaw Tillich und Karl-Josef Laumann. Sie stehen alle für etwas. Europa, Ostdeutschland, Arbeitnehmer. Was davon wäre für die Volkspartei CDU verzichtbar?

Ein Posten mehr ist auch keine Lösung

Es werde auch erwogen, das Gremium zu erweitern, heißt es. Das gab es schon mal bei den Stellvertretern. Als sich die Rheinland-Pfälzerin Julia Klöckner und Thomas Strobl aus Baden-Württemberg um die Nachfolge von Annette Schavan balgten, wurde ein fünfter Vize-Posten geschaffen. Doch immer mehr Funktionärspöstchen, bloß weil zu viele gerne einen hätten, sind auch keine Lösung.

Ganz neu ist die Konstellation für die alten Hasen der CDU übrigens nicht. Vor 22 Jahren trat bei Präsidiumswahlen schon einmal ein Jungspund gegen das Partei-Establishment an – und verlor. Es war der damalige JU-Vorsitzende. Sein Name: Hermann Gröhe.

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