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Politik: Spanien befürchtet riesigen Ansturm von Flüchtlingen aus Afrika

Tausende sind offenbar mit Holzbooten auf dem Weg zu den Kanaren – trotz der Kontrollen durch die Küstenwache

Trotz aller Abschreckungsversuche sind tausende Flüchtlinge aus Westafrika auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln. Inoffiziellen spanischen Berichten zufolge soll ein Aufklärungsflugzeug eine Flotte von 30 voll besetzten Flüchtlingsbooten mit zusammen etwa 2000 Menschen vor der afrikanischen Küste gesichtet haben.

„In den kommenden Wochen werden wir vermutlich eine neue Ankunftswelle auf den Kanaren erleben“, ist sich ein Sprecher der spanischen Polizei sicher. Vor allem das relativ gute Seewetter mit geringem Wind und Wellengang könne die Zahl der Flüchtlinge, welche die mehr als 1000 Kilometer lange Überfahrt von Mauretanien, Senegal, Gambia oder Guinea in Richtung Kanaren wagen, in die Höhe treiben. In den vergangenen Monaten sind Schätzungen zufolge tausende von ihnen im Atlantik ertrunken.

Nach Erkenntnissen der spanischen Sicherheitsbehörden liegen in den Fischerdörfern der westafrikanischen Küste tausende von Holzbooten bereit, die in den kommenden Monaten als Fluchtboote dienen könnten. Dies deckt sich mit Analysen, wonach Millionen perspektivloser Menschen, vor allem junge Männer, vom Auswandern nach Europa träumen. Getrieben von Armut, Arbeitslosigkeit und den Erzählungen jener Landsleute, denen die Flucht geglückt ist. Seit Jahresbeginn landeten auf den Kanaren bereits knapp 10 000 Afrikaner – so viele wie noch nie.

Ob die europäische Küstenwachtflotte, die im Laufe des Juni ihren Patrouillendienst vor der westafrikanischen Küste aufnehmen soll, die Massenflucht aus Afrika stoppen kann, muss sich erst noch zeigen. Spanien und acht weitere EU-Staaten, darunter auch Deutschland und Österreich, hatten Ende Mai vereinbart, eine gemeinsame Abschreckungs- und Überwachungsmission im Atlantik zu starten. Wenigstens zehn Patrouillenschiffe und sechs Aufklärungsflugzeuge sollen den Sommer über versuchen, den Wasserfluchtweg von Westafrika Richtung Kanaren abzuschneiden, Flüchtlingsboote abzufangen und nach Afrika zurückzuschicken.

Unterdessen brachte die spanische Küstenwacht vor der Hafenstadt Cadiz einen afrikanischen Fischkutter mit etwa 220 illegalen Einwanderern auf. In diesem Fall handelte es sich bei den Flüchtlingen nicht um Afrikaner, sondern um Flüchtlinge aus Pakistan, Indien und Kurdistan. Der verrostete Fischtrawler, der etwa 30 Meter lang war und weder mit einem Namen noch einer Flagge gekennzeichnet war, fuhr vermutlich im westafrikanischen Guinea los, um seine menschliche Fracht in einem europäischen Mittelmeerstaat abzusetzen. Das Schiff ist ein Beispiel dafür, dass inzwischen auch viele Flüchtlinge aus Asien sich über Afrika einen Weg nach Europa suchen.

Ralph Schulze[Madrid]

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