zum Hauptinhalt

Spannungen zwischen Ukraine und Russland: Nervenkrieg um die Krim

Moskau setzt im Konflikt um die Krim aufs Militär – und damit auf Eskalation. Aber auch Kiew und die Regionalregierung spielen ein gefährliches Spiel. Wie genau ist die Lage auf der Scharzmeer-Halbinsel?

Wer glaubte, die Ukraine habe das Schlimmste überstanden, muss sich seit Samstag eines Schlimmeren belehren lassen. Im Brennpunkt steht die zur Ukraine gehörende Schwarzmeerhalbinsel Krim. Der gerade gewählte Ministerpräsident der Krim, Sergej Aksjonow, bat Russland um „Hilfe bei der Gewährleistung von Frieden und Ruhe auf dem Territorium der Autonomen Republik Krim“. Und Russlands Präsident ist kurz davor, Truppen zu schicken.

Rein rechtlich gesehen bewegen sich derzeit alle – Russland, die Regierung der Krim in Simferopol und die neue Macht in Kiew – auf sehr dünnem Eis. Die Krim gehörte bis weit ins 18. Jahrhundert zum Osmanischen Reich und kam dann an Russland. 1954 „schenkte“ Nikita Chruschtschow, der KPdSU-Chef, sie der Ukraine. Dort hat sie seither Autonomiestatus. Ethnische Russen stellen inzwischen knapp 60 Prozent der Gesamtbevölkerung; Politiker aus Moskau und den südrussischen Regionen gehen dort ein und aus und pflegen auch ihre wirtschaftlichen Interessen. Parlament und Regierung der Krim stehen weiter hinter dem vor einer Woche entmachteten und nach Russland geflüchteten Staatschef Viktor Janukowitsch und erkennen die neue Macht nicht an. Denn dort haben vor allem Nationalisten aus den westlichen Landesteilen und pro-westliche Gruppierungen aus der Zentralukraine das Sagen.

Gegenseitige Vorwürfe zwischen Kiew und Simferopol

Kiew und Simferopol werfen dem jeweils anderen Verstöße gegen das Autonomieabkommen vor. Beide zu Recht: Die neue ukrainische Regierung ernannte am Freitag einen neuen Polizeichef für die Krim, ohne die Personalie mit den Behörden der Region abzustimmen. Bewaffnete aus Kiew versuchten sogar, das Innenministerium in Simferopol zu besetzen. Und gerieten dabei offenbar mit den sogenannten „Selbstverteidigungskräften“ der russischsprachigen Bevölkerung aneinander, Formationen, die sich ebenfalls außerhalb des Rechtsraumes befinden und sich zuvor bereits mit bewaffneten Organisationen der Krimtataren anlegten. Auch sie sind von der Verfassung nicht gedeckt.

Entschieden zu weit ging auch die Krim. Es gibt weltweit keine Autonomie, die eine eigene Außen- Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ermöglicht. Krim-Premier Aksjonow indes erklärte in der Nacht zu Samstag, er habe beschlossen, sich die Truppen des Innenministeriums, des Sicherheitsdienstes SBU, die Streitkräfte, den Zivilschutz, die Flotte, die Zollbehörde und den Grenzschutz persönlich zu unterstellen. Das liefe bei strenger Auslegung auf versuchten Staatsstreich hinaus.

Moskau sieht das offenbar anders. Die Organe der Krim hätten „das Recht, das Maß von Autonomie und Kompetenzen selbst festzulegen“, sagte Senatspräsidentin Walentina Matwijenko. Vom Senat muss Russlands Präsident sich die Auslandseinsätze der Armee genehmigen lassen. Matwijenko wollte die „Entsendung eines begrenzten Kontingents“ auf die Krim nicht ausschließen, begründete das jedoch mit „Sicherheit für die Schwarzmeerflotte und russische Bürger auf der Krim“. Dazu indes könnten jedoch schon bald nicht nur die Familien russischer Soldaten und Matrosen gehören, sondern auch die Bewohner der Krim. Die Duma will in Kürze ein Gesetz beschließen, mit dem das Verfahren zur Verleihung der russischen Staatsbürgerschaft an Ukrainer vereinfacht und verkürzt wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false