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Politik: Sparen macht Mut

IM FINANZLOCH

Von Lutz Haverkamp

Die Deutschen haben schlechte Laune. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung steigt, eine Erhöhung der Ökosteuer ist beschlossene Sache, die zweite Stufe der Steuerreform wird wegen der Hochwasserschäden um ein Jahr auf 2004 verschoben, und das beklemmende Gefühl, mit der Einführung des Euro für alles mehr Geld bezahlen zu müssen, will auch nicht weichen. Dem deutschen Steuerzahler wird tatsächlich tief in die Tasche gegriffen, und er hat immer weniger Lust, sein verbliebenes Geld in den Konsum zu stecken. Tristesse allerorten.

Schlechte Laune werden auch Bundesfinanzminister Hans Eichel und seine Amtskollegen in den Ländern und Gemeinden haben. Die Steuereinnahmen für das laufende und das kommende Jahr bleiben weit hinter den Erwartungen und Haushaltsplanungen zurück. Dass eine wirtschaftliche Erholung der Politik vorerst nicht zu Hilfe kommt, haben die Kassenwarte der Nation vom Sachverständigenrat und aus Brüssel gestern gleich zweimal schriftlich bekommen. Die Schulden steigen, Haushalte werden Makulatur und drohen, gegen die Verfassung zu verstoßen.

Was ist zu tun? Die Politik hat in Zeiten konjunktureller Flaute im wesentlichen nur drei Möglichkeiten, die finanzielle Situation des Staates zu verbessern. Erstens: mehr Schulden machen. Zweitens: Steuern erhöhen. Drittens: Ausgaben senken. Die erste Möglichkeit scheidet aus, weil Brüssel schon jetzt den Blauen Brief für Berlin versandfertig macht. Eine Steuererhöhung – zum Beispiel der im EUVergleich relativ niedrigen Mehrwertsteuer – verbietet sich auch. Deutschland befindet sich nach wie vor in einer Hochsteuerphase, die längst die Verbraucher davon abhält, mit mehr privater Nachfrage die Konjunktur wieder auf Trab zu bringen. Nicht umsonst hat Rot-Grün eine mehrstufige Steuerreform beschlossen, um genau diesem Übel beizukommen. Die Mehrwertsteuer zeichnet sich zu allem Überfluss auch noch dadurch aus, dass sie zu den unsozialsten Abgabe-Arten gehört. Denn Menschen, die heute schon ihr gesamtes verfügbares Einkommen für Miete, Kleidung, Lebensmittel und auch private Altersvorsorge ausgeben (müssen), könnten eine Anhebung der Mehrwertsteuer nur durch einen faktischen Verzicht auf Konsum verkraften. Das kann in diesen Zeiten keiner wollen.

Bleibt nur die eine, die dritte Lösung: Die für 2003 schon geschnürten Haushalte in Bund, Ländern und Kommunen müssen wieder auf den Tisch. Der Staat muss seine Ausgaben senken, die von ihm finanzierten Aufgaben reduzieren. Das nennt sich schlicht – Sparen. Aber das ist zugegebenermaßen schwieriger, als nur an der Steuerschraube zu drehen.

Der Bund will im kommenden Jahr 246,3 Milliarden Euro ausgeben. Das ist bei allen Sparbemühungen noch zu viel. Denn nur aus dieser Summe kann Eichel das Geld holen, das ihm – und den Menschen im Land – fehlt. Wer sucht, der findet. Ein Spar-Beispiel: Subventionen. Die direkten Finanzhilfen werden sich in 2002 auf 8,2 Milliarden summieren, die Steuervergünstigungen belaufen sich auf 8,6 Milliarden, die Ausnahmeregelungen bei der ökologischen Steuerreform auf 4,6 Milliarden Euro – macht ein Geldgeschenk in Höhe von 21,4 Milliarden Euro vor allem an die Wirtschaft. Und deren Vertreter, Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und BDI-Chef Michael Rogowski haben von sich aus angeboten, die Subventionen – zur Not auch pauschal – zu kürzen. Dieses Angebot muss die Politik annehmen. Außerdem ist es unvorstellbar, dass in einem fast 250 Milliarden Euro schweren Bundeshaushalt kein weiteres Sparpotenzial mehr steckt. Die Einschnitte werden schmerzhaft, aber gerechter – und vor allem ehrlicher – als eine Steuererhöhung sein.

Erst mit einer anhaltenden Sparpolitik wird es gelingen, ohne weitere Steuererhöhungen die Finanzmisere zu meistern. Damit bietet sich auch die Chance, lieb gewonnene, aber unsinnige und ungerechte staatliche Aus- und Aufgaben abzuschaffen. Die Belohnung könnte reichlich ausfallen: Menschen, die der Politik wieder Vertrauen entgegen bringen, das sie so sträflich selbst beschädigt hat. Und einen Stimmungswandel, den Deutschland so nötig braucht wie den konjunkturellen Aufschwung.

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