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© epa ANA

Sparkurs: Griechenland beugt sich dem Druck der EU

Athen beschließt Sparpaket – Regierungschef Papandreou sieht sein Land im „nationalen Überlebenskampf“.

Eine Kabinettssitzung um neun Uhr morgens: Das hat es in Griechenland noch nicht gegeben. Und dann versammeln sich die Minister auch noch so rechtzeitig, dass die Beratungen auf die Minute pünktlich beginnen können – ebenfalls ein Novum. Dies sind eben keine gewöhnlichen Zeiten in Griechenland: „Wir müssen unsere Heimat, unsere Bürger und unsere Kinder vor der Gefahr eines drohenden Staatsbankrotts bewahren“, sagt Ministerpräsident Giorgos Papandreou.

Die Gesichter der Minister, die an der Villa Maximos vorfuhren, Papandreous Amtssitz, waren ernst. Sie dürften noch ernster geworden sein, als der Premier die Sparbeschlüsse vortrug. „Sehr gedrückt“ sei die Stimmung am Kabinettstisch gewesen, berichten Teilnehmer. Zusätzlich zu den im Januar beschlossenen Einschnitten im Volumen von rund zehn Milliarden Euro sollen jetzt weitere 4,8 Milliarden Euro eingespart werden. Der Betrag soll je zur Hälfte durch Ausgabenkürzungen und höhere Steuern zusammenkommen. Den 730 000 Staatsbediensteten kürzt die Regierung das zu Ostern gezahlte 13. Monatsgehalt und das zu Weihnachten fällige 14. Gehalt jeweils um 30 Prozent. Außerdem werden die Zulagen, die bei vielen Staatsdienern die Höhe des Grundgehalts erreichen oder sogar übersteigen, um zwölf Prozent gekürzt. Die Renten werden eingefroren. Auf der Einnahmenseite beschloss die Regierung eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 auf 21 Prozent sowie höhere Abgaben auf Zigaretten und Alkoholika. Das Benzin verteuert sich pro Liter um acht Cent, auch Autos und Luxusgüter werden höher besteuert. Einkommen von mehr als 100 000 Euro werden rückwirkend für das Jahr 2009 mit einem „Solidarzuschlag“ von einem Prozent belastet.

Bereits am Dienstagabend hatte Papandreou seine Parlamentsfraktion auf den Ernst der Lage eingestimmt: „Unser Land befindet sich im Kriegszustand“, erklärte der Premier, in einem „nationalen Überlebenskampf“. An seine Abgeordneten appellierte er: „Alle sollten bedenken, was passiert, wenn der Staat schon in naher Zukunft keine Gehälter und Renten mehr zahlen kann.“ Seine Fraktion scheint der Premier davon überzeugt zu haben, dass es keine Alternative zu dem Sparkurs gibt: fünf Mal unterbrachen die Abgeordneten die Rede des Premiers mit lautem Beifall, am Ende gab es sogar Ovationen.

Die für das Sparprogramm erforderlichen Gesetzesänderungen sollen im Eilverfahren beschlossen werden: Am Mittwochnachmittag ging der Gesetzentwurf ins Parlament, das darüber am Freitag abschließend abstimmen soll. Mit den Sparmaßnahmen will Papandreou sicherstellen, dass die Ziele des Konsolidierungsprogramms erreicht werden, auch wenn die Konjunktur stärker als erwartet schwächeln sollte: In diesem Jahr soll das Haushaltsdefizit von 12,7 auf 8,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und bis Ende 2012 unter drei Prozent gedrückt werden. Kein anderes EU-Land hat sich so ehrgeizige Sparziele gesetzt. Aber noch muss der Premier für sein Sanierungskonzept werben. Nach der Kabinettssitzung traf Papandreou mit den Führern der Gewerkschaftsdachverbände und Unternehmervertretern zusammen. Doch die Protestwelle läuft bereits. Während Papandreou in der Villa Maximos mit den Sozialpartnern sprach, demonstrierten draußen mehrere hundert Senioren für höhere Renten. Für diesen Donnerstag haben Linksparteien und Gewerkschaften zu Protestkundgebungen in Athen aufgerufen. Am Montag will die Beamtengewerkschaft Adedy den gesamten öffentlichen Dienst bestreiken.

Aber die Finanzmisere löst nicht nur Widerstand aus, sie scheint auch kreative Kräfte freizusetzen: Die Sängerin und Multimillionärin Nana Mouskouri will ihre Pension spenden, die sie als ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments bezieht. Und der griechische Parlamentspräsident Philippos Petsalnikos will eine globale Kollekte veranstalten: Griechen aus der ganzen Welt sollen ein Notopfer auf ein Spendenkonto einzahlen, um den Staatsbankrott der Heimat abzuwenden. Die Athener Abgeordneten sollen mit gutem Beispiel vorangehen und ihr 14. Monatssalär spenden, schlug Petsalnikos vor.

„Wir haben unsere Pflicht getan, jetzt ist die EU am Zug“, sagte Papandreou. In den EU-Hauptstädten wird über ein Rettungsprogramm für Griechenland nachgedacht, falls das Land trotz der Sparanstrengungen in Zahlungsschwierigkeiten kommen sollte. Papandreou schloss aber nicht aus, dass sein Land die Hilfe des Internationalen Währungsfonds suchen werde, falls Europa zu lange zögert.

Gerd Hoehler[Athen]

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