zum Hauptinhalt
Vertrackt. Wenn Finanzminister Schäuble (CDU) 2010 viel spart, muss er – dank Schuldenbremse – 2011 noch mehr sparen. Das gefällt nicht allen Politikern.

© dpa

Sparpaket: Opposition sieht "Spaltung Deutschlands"

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat am Dienstag einen ersten Vorgeschmack bekommen, welche Debatte ihm in den kommenden Monaten über den Bundeshaushalt 2011 droht.

Berlin - Immer wieder fielen ihm Abgeordnete der Opposition während seiner Rede im Bundestag ins Wort und kritisierten das milliardenschwere Sparpaket der Regierung mit heftigen Worten. Grüne, Sozialdemokraten und Linke schimpften über „Luftbuchungen“, „eine soziale Schieflage“, „Klientelpolitik“, einen „Geheimdeal“ bei den HRE-Milliarden und eine von „Lobbyisten gesteuerte Regierung“.

Der routinierte CDU-Politiker Schäuble ließ sich seinen Ärger über die Zwischenrufe kaum anmerken und verteidigte den ersten von Union und FDP aufgestellten Bundeshaushalt. „Wir sind entschlossen, Kurs zu halten“, sagte der Finanzminister. Diesen Satz hat Schäuble aber auch an die Abgeordneten der Regierungskoalition gerichtet, die angesichts der besseren Wirtschaftsentwicklung bereits zusätzliche Ausgabenwünsche im Kopf haben. Ob Flugticketabgabe, Ökosteuerausnahmen für die Industrie oder Städtebauförderung – Schäuble muss sich auf Abstriche an seinen Zielen einstellen. Und auch die Länder und Kommunen wollen mehr Geld vom Bund – beim Atomdeal, der Bildung oder für die Gemeindefinanzen. Sie befürchten, dass Schäuble den Etat auf ihre Kosten saniert. Die Haushaltskonsolidierung bezeichnete der Minister als wachstumsfreundlich und nachhaltig. Das umstrittene Sparpaket habe eine „ausgewogene Struktur“. Im Sozialbereich konzentrierten sich die Maßnahmen darauf, die Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme zu verbessern. Zudem seien aber zusätzliche Einnahmen notwendig, etwa durch die Einführung einer Brennelementesteuer und einer Luftverkehrsabgabe. Etliche Kürzungen oder Zusatzeinnahmen stehen bisher allerdings allenfalls auf dem Papier.

Das Sparpaket der Regierung hat ein Volumen von gut 80 Milliarden Euro. Bis 2014 soll die Neuverschuldung des Bundes von 57,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr auf 24 Milliarden Euro gedrückt werden. Die Ausgaben sinken in dieser Zeit nur leicht von 307 auf 301 Milliarden Euro. Damit will die schwarz-gelbe Regierung die Vorgaben der neuen Schuldenbremse in der Verfassung erfüllen, die einen fast vollständigen Abbau des strukturellen Defizits bis 2016 vorschreibt. Im nächsten Jahr findet die neue Schuldenregel erstmals Anwendung.

Wegen der überraschend guten Konjunkturentwicklung rechnet Schäuble damit, dass das Defizit dieses Jahr deutlich unter den geplanten 65 Milliarden Euro liegt. Die Neuverschuldung werde „irgendwo zwischen 50 und 60 Milliarden Euro“ liegen, sagte er. Der Finanzminister warnte aber davor, Entwarnung zu geben und mit einem vergleichbaren Wachstumsschub in der Zukunft zu rechnen. Im nächsten Jahr werde das Bruttoinlandsprodukt wohl nicht um drei Prozent zulegen. „Wir haben aber alle Chancen auf eine stabile und nachhaltige Entwicklung“, sagte Schäuble.

Die SPD kritisierte den Etat wegen der Einschnitte im Sozialbereich als „Handbuch zur Spaltung Deutschlands“. „Dieser Haushalt wird die soziale Spaltung in Deutschland vertiefen“, sagte SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider. Zudem enthalte Schäubles Planung bis 2014 Luftbuchungen von 40 Milliarden Euro. So sei bisher lediglich die Hälfte des Sparvolumens durch konkrete Gesetzesvorlagen belegt.

Der Grünen-Haushaltspolitiker Alexander Bonde sagte mit Blick auf die C-Parteien, nichts sei daran christlich, wenn die Schwachen belastet würden, starke Schultern aber nichts tragen müssten. Chancen zum Subventionsabbau beispielsweise in der Landwirtschaft würden nicht genutzt. Unterstützung erhielt Bonde von der Vorsitzenden der Linkspartei, Gesine Lötzsch: „Die Regierung stopft Haushaltslöcher nicht mit dem Geld der Banker und Spekulanten, sondern der Bürger und Steuerzahler.“ Auch zwei Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise sei es nicht gelungen, die Verursacher zur Kasse zu bitten.

Schäuble sagte, dass die Regierung trotz aller Sparnotwendigkeiten die Investitionen in Forschung und Bildung erhöhen werde. Vertrackt ist die finanzpolitische Situation trotzdem, denn die Regeln der neuen Schuldenbremse besagen, dass bei besserer Konjunktur mehr gespart und für schlechtere Zeiten vorgesorgt werden muss. Bis 2016 muss der Bund sein Strukturdefizit – die um Einmal- und Konjunktureffekte bereinigte Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben – in gleichmäßigen Jahresschritten auf zehn Milliarden Euro und die Neuverschuldung auf höchstens 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedrückt haben. Ausgangspunkt ist das 2010 erwartete Strukturdefizit. Bisher sind das 53,2 Milliarden Euro, 2011 sollen es knapp 46 Milliarden sein. Wenn es besser läuft als gedacht, könnte aber auch das Strukturdefizit niedriger ausfallen – wegen des strengen Abbaupfads müsste dann auch das Defizit 2011 niedriger sein müsste. Was den Spielraum für Neuschulden weiter reduziert.

Das scheint Schwarz-Gelb vermeiden und dazu bei den weniger optimistischen Annahmen vom Juli bleiben zu wollen. Es bleibt spannend, was bis zur Verabschiedung der Etats im November noch errechnet wird. (Handelsblatt mit AFP/dpa)

Sven Afhüppe

Zur Startseite