zum Hauptinhalt

Politik: SPD-Abgeordnete aus dem Ruhrgebiet wollen verhindern, dass die Kohle bedeutungslos wird

Der neue Koalitionsstreit über die Öko-Steuer erweist sich als unerwartet problematisch. Noch am Mittwochnachmittag hatten SPD und Grüne nach einem Krisentreffen der Fraktionsspitzen die Zuversicht verbreitet, dass eine Lösung gefunden wird.

Von Robert Birnbaum

Der neue Koalitionsstreit über die Öko-Steuer erweist sich als unerwartet problematisch. Noch am Mittwochnachmittag hatten SPD und Grüne nach einem Krisentreffen der Fraktionsspitzen die Zuversicht verbreitet, dass eine Lösung gefunden wird. Am Donnerstag aber standen sich die Fronten unverändert hart gegenüber: Die Grünen bestanden auf dem am vorigen Freitag ausgehandelten Kompromiss, der eine Mineralölsteuer-Befreiung für neue, hoch effiziente Gas- und Dampfkraftwerke (GuD) vorsieht. Die SPD blieb ebenso hart bei ihrer Ablehnung. Für den Abend war ein weiteres Krisengespräch geplant.

Einigen sich beide Seiten bis Freitag nicht, kann die zweite Stufe der Öko-Steuer nicht zum 1. Januar 2000 in Kraft treten. Denn wenn der Haushaltsausschuss den Gesetzentwurf nicht am Freitag abschließend behandelt, können die Fristen für die letzte Bundesratssitzung in diesem Jahr am 26. November nicht mehr eingehalten werden. Die SPD verknüpfte mit einer Lösung der Frage der Öko-Steuer obendrein einen Kompromiss in einer zweiten Streitfrage, der Besteuerung der Lebensversicherungen.

Fachleute von SPD und Grünen veranstalteten am Donnerstag eine Anhörung mit Experten aus der Energiewirtschaft und Anlagenbauern. Dabei ging es in erster Linie um die Frage, unter welchen Anforderungen an den Wirkungsgrad GuD-Kraftwerke noch wirtschaftlich betrieben werden können. Grüne und SPD hatten sich am vorigen Freitag darauf geeinigt, dass neu errichtete GuD-Anlagen ab einem elektrischen Wirkungsgrad von 57 Prozent für zehn Jahre von der Mineralölsteuer befreit bleiben sollen. Die SPD-Fraktion hatte diesen Kompromiss am Mittwoch aufgekündigt und fordert nun, den verlangten Wirkungsgrad auf 58 Prozent hochzusetzen.

Der Grünen-Umweltexperte Reinhard Loske argumentierte aber intern, ein derart hoher Wirkungsgrad sei mit vertretbarem Aufwand nicht zu erreichen, so dass die gesamte Regelung damit hinfällig würde. Im Deutschlandfunk bestand Loske am Donnerstag auf der getroffenen Vereinbarung. Diese Abmachung sei zweimal im Koalitionsausschuss bestätigt und vom Kabinett beschlossen worden. Die Grünen, die ursprünglich einen Wirkungsgrad von 55 Prozent verlangt hatten, seien damit auf die SPD zugegangen. "Aber wir können unsere Energiepolitik nicht allein nach den Interessen der Kohleindustrie ausrichten", sagte er.

Treibende Kraft gegen den ursprünglichen Kompromiss auf Seiten der SPD waren Abgeordnete aus den Kohle-Regionen. Sie befürchten, dass die Steuerbefreiung für GuD-Kraftwerke das Aus für den Neubau von Kohlekraftwerken bedeuten würde. Die Kohle-Vertreter fanden überraschend Unterstützung bei führenden Umweltpolitikern der SPD. Hermann Scheer, für seinen Einsatz für die Solarenergie mit dem diesjährigen Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet, wertete die Steuerfreiheit für GuD-Anlagen als "ökologisch falschen Weg". Es gehe nicht um die Alternative zwischen Gas und Kohle, sondern um die Wahl zwischen neuen Großkraftwerken und der besonders effizienten, dezentralen Stromerzeugung mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Die geplante Begünstigung von GuD-Großanlagen würde die flächendeckende Verbreitung dezentraler KWK-Kraftwerke behindern.

Bei den Grünen stieß diese Position auf Unverständnis. Es wäre zwar wünschenswert, aber illusorisch zu glauben, dass jetzt massenhaft KWK-Kraftwerke gebaut würden. Für eine Übergangszeit seien GuD-Anlagen der realistischere Weg.

Die SPD machte in den Gesprächen einen Kompromiss bei der Ökosteuer zur Vorbedingung für eine Lösung im ebenfalls am Mittwoch neu aufgebrochenen Streit über die Besteuerung von Lebensversicherungen. Die Sozialdemokraten wollen für die künftig steuerpflichtigen Erträge aus Kapital-Lebensversicherungen einen einmaligen Freibetrag von 20 Prozent, maximal 20 000 Mark, einführen. Die Grünen wollen hingegen eine auf fünf Jahre verteilte Versteuerung des Ertragsanteils ermöglichen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false