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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach am Donnerstag ausführlich mit SPD-Chef Martin Schulz.

©  Jesco Denzel/dpa

SPD-Chef: Martin Schulz kämpft um sein Amt

Große Koalition, Minderheitsregierung oder Neuwahlen? Nach dem Treffen von SPD-Chef Martin Schulz mit dem Bundespräsidenten suchen die Sozialdemokraten in einer Krisensitzung einen Ausweg.

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Ist das seine letzte Amtshandlung als SPD-Chef? Als Martin Schulz am Donnerstagnachmittag die 13 Stufen zum Hauptportal von Schloss Bellevue hochsteigt, macht im politischen Berlin längst das R-Wort die Runde: Rücktritt!

Der Berliner Büroleiter des britischen „Economist“, Jeremy Cliffe, hat es in die Welt gesetzt. Per Twitter verbreitet er am Vormittag einen Satz: In der SPD gehe das Gerücht um, dass Martin Schulz nach seinem Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zurücktreten werde. Später ergänzt Cliffe, der SPD- Chef habe gegenüber anderen Mitgliedern der SPD-Führung offenbar mit Rücktritt „gedroht“.

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Es ist ein Gerücht – mehr nicht. Aber es alarmiert zunächst viele, Akteure in der Partei und Beobachter. Denn ausschließen kann man in diesen Tagen nichts mehr in der SPD. Martin Schulz, so viel ist sicher, muss um sein Amt kämpfen.

Der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten hat sich in eine schwierige, manche in der SPD sagen: ausweglose Lage manövriert. Am Montag drängte er die Parteispitze dazu, eine Fortsetzung der großen Koalition kategorisch auszuschließen und sich für Neuwahlen auszusprechen. Doch als er am Donnerstag zum Rapport beim Staatsoberhaupt antreten muss, ist klar: Schulz kann diese Linie nicht durchhalten.

Eine SPD, die das Land in schwieriger Lage im Stich lässt – gegen diesen Vorwurf kommt der SPD-Chef nur schwer an. In atemberaubender Geschwindigkeit rücken Teile der Partei sowie der Bundestagsfraktion von ihm ab. Von schweren taktischen Fehlern, von erschütterndem Unvermögen ist die Rede. Viel zu schnell habe Schulz die Tür für Gespräche mit der Union zugeschlagen, weshalb die SPD nun in der Krise als Verweigerer dastehe. Offenheit für die große Koalition verlangen nun viele. Dahinter steht auch die Furcht, dass die 20,5-Prozent-Partei bei Neuwahlen noch schlechter abschneiden würde.

Die Angst der Genossen

Das ist die eine Seite von Schulz’ Problem. Auf der anderen stehen Sozialdemokraten wie Axel Schäfer. „Ich werde auf keinen Fall ein drittes Mal für eine große Koalition stimmen“, sagt der stellvertretende Fraktionschef: „Am Ende darf nicht stehen: Koalition gut, SPD tot.“ Es ist eine Angst, die viele Genossen umtreibt, am stärksten die vom linken Flügel der Partei. Und es ist ja auch wahr: Aus jedem Bündnis mit der Merkel-Union ist die SPD ein Stückchen schwächer hervorgegangen. Warum also sollte es beim dritten Mal anders ausgehen? Dann lieber eine unionsgeführte Minderheitsregierung tolerieren, fordert etwa der Wortführer der Parteilinken, Ralf Stegner.

Egal auf welche Seite sich Schulz schlägt: Einen Teil seiner Partei wird er enttäuschen müssen. Seine Wiederwahl auf dem Parteitag in zwei Wochen ist damit in Gefahr. Denn wer in wenigen Tagen eine in Stein gemeißelte Position räumen muss, ist weder ein führungsstarker noch ein besonders glaubwürdiger Parteichef. Appelle an Parteitraditionen und Gerechtigkeitsgefühle, mit denen Schulz die Basis häufig begeistert, werden das Dilemma jedenfalls nicht auflösen.

Aber wie dann? Gut zwei Stunden nach Schulz’ Gespräch mit Bundespräsident Steinmeier treffen sich am Abend die engere Parteiführung und die SPD-Ministerpräsidenten im Willy-Brandt-Haus zur Krisensitzung. Vor Beginn kursiert: Es soll eine harte und offene Aussprache werden, die viele Stunden dauern kann.

Widerstände abbauen

Allen Beteiligten war vor dem Treffen klar: Wenn es in Richtung großer Koalition gehen soll, dann darf das mit Rücksicht auf die Parteibasis und ihre Aversion gegen dieses Bündnis nicht abrupt geschehen. Von einem „Prozess“ war in SPD-Kreisen die Rede, der den Genossen Zeit geben soll, sich auf die veränderte Lage einzustellen. Um die Widerstände abzubauen, soll verstärkt über eigene politische Ziele im Fall einer Zusammenarbeit mit der Union gesprochen werden.

Parteivize Olaf Scholz ist auf diesem Weg schon vorangegangen. In der Talksendung von Markus Lanz trägt er am Mittwochabend einen ganzen Katalog vor. Darunter SPD-Herzensanliegen wie die Abschaffung grundloser Befristung von Arbeitsverträgen, höhere Mindestlöhne, die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung, höhere Bildungsinvestitionen, sozialen Wohnungsbau und deutsche Hilfe für die EU-Reformideen von Frankreichs Präsident Macron.

Scholz gilt derzeit als größter Konkurrent von Schulz. Die Frage, ob er selber Parteichef werden wolle, verneint er bei Lanz nicht. Er sagt nur: „Ich habe noch nie aus meinem Inneren geplaudert.“

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