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Angegriffen. SPD-Chef Sigmar Gabriel.

© dpa

SPD-Chef Sigmar Gabriel: Probleme mit dem Rollenwechsel

Sigmar Gabriel muss seine Rollen als SPD-Chef und Minister in Einklang bringen – und nimmt Kritik übel. Vor allem mit seinem neuen wirtschaftsfreundlichen Kurs eckt er bei den Genossen an.

Von Hans Monath

Kaum hatte Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) am Mittwochmittag seinen Platz vor den Kameras und Mikrofonen eingenommen, machte er ein großzügiges Angebot. „Was immer Sie wollen“, sagte der Wirtschaftsminister im Paul- Löbe-Haus des Bundestages gönnerhaft auf die Frage eines Journalisten, zu welchen Themen er sich äußern werde.

Weil der SPD-Chef zuvor im Wirtschaftsausschuss den Halbjahresbericht zu den deutschen Rüstungsexporten präsentiert hatte, verteidigte er mit Verve seine Exportentscheidungen. „Wir gehen deutlich restriktiver mit Lieferungen um“, lautete seine Kernbotschaft. Vor allem die Genehmigungen der gefährlichen Kleinwaffen habe er um mehr als 90 Prozent zurückgefahren.

Als Gabriel sich nach zwölf Minuten verabschiedete, blickte er selbstzufrieden in die Runde. Zwar hatte seine Genehmigung von Waffenexporten nach Saudi- Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate die Sozialdemokraten kurzzeitig verstört. Doch traut der SPD-Chef sich offensichtlich zu, die eigene Partei zu überzeugen. Die erwartet, dass der versprochene Kurswechsel nun auch in der Praxis umgesetzt wird.

Schon beim Thema Rüstungsexporte wird klar, wie schwer Gabriel der Rollenwechsel vom Oppositionschef zum verantwortlichen Minister fällt, weil er sich nur langsam von den Festlegungen der Vorgängerregierung lösen kann – für manche in seiner Partei zu langsam. Weit mehr Ärger aber trägt Gabriel gegenwärtig sein Versuch ein, die Sozialdemokraten über einen wirtschaftsfreundlichen Kurs in der Mitte zu positionieren.

Von links zur Mitte

Im Bundestagswahlkampf hatte er sogar seinem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück ein dezidiert linkes Programm mit Verteilungsversprechen aufgezwungen, das schlecht zum Ruf des Ex-Finanzministers passte. Weil das Programm die Wähler nicht überzeugte, entschied sich Gabriel, die SPD künftig als Wirtschaftspartei aufzustellen, die statt höherer Steuern für Reiche sicheren Wohlstand für alle garantieren soll.

Deshalb verspricht Gabriel nun Entlastung bei der kalten Progression, kämpft für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP und verteidigt auch in Zeiten deutlich gedämpfter Konjunktur den mit der Union verabredeten Verzicht auf neue Schulden im Bundeshaushalt (schwarze Null). Noch vor einem Jahr hatte der SPD-Chef im Wahlkampf entschieden vor einer Kürzungs- und Austeritätspolitik ohne Wachstumsimpulse gewarnt, die Europa kaputtspare.

Was immer die Wähler bei der nächsten Bundestagswahl von dieser Neuaufstellung der Sozialdemokraten halten mögen – wichtige Teile der SPD fühlen sich überfahren und sehen den Markenkern ihrer Partei gefährdet. Vor allem der linke Parteiflügel widersprach Gabriel in der TTIP-Debatte und wehrt sich nun im Streit um die schwarze Null gegen ihn.

In der Sitzung der SPD-Fraktion am Dienstag bekräftigte der Wirtschaftsminister seine These, wonach die schwarze Null trotz geringeren Wachstums erreicht werden könne, wie Teilnehmer berichten. Der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Carsten Sieling, verteidigte seine Position. Er wolle, anders als unterstellt, kein Strohfeuer-Konjunkturprogramm. Das Problem der zu niedrigen Investitionen müsse aber angegangen werden. Bei Eintrübung der Konjunktur steige die Notwendigkeit, gegenzusteuern.

Haushaltspolitische Unzuverlässigkeit

Gabriel konterte, was Sieling sage, sei richtig, nur der Zeitpunkt sei falsch. Dann brachte der Parteichef ein taktisches Argument: Wenn jemand die schwarze Null reiße, müsse das Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sein. Den Vorwurf haushaltspolitischer Unzuverlässigkeit will Gabriel offenbar von der SPD fernhalten. Von Fraktionsvize Carsten Schneider, der gewarnt hatte, „dem Abschwung hinterherzusparen“, forderte er, die Debatte umgehend zu beenden.

Schon in der SPD-Vorstandssitzung am Montag hatte Gabriel die Parteilinken Ralf Stegner und Sieling wegen deren Einwänden gegen das Dogma der schwarzen null gerügt. Dass der Parteichef nun häufiger mit persönlichen Angriffen auf parteiinterne Kritiker reagiert, führen Parteilinke auf sein noch immer schwer zu zügelndes Temperament zurück. Von „insgesamt sehr angekratzt“ bis „ein bisschen nervös“ reichen in der SPD die Urteile darüber, wie Gabriel auf die eigenen Schwierigkeiten mit dem Rollenwechsel reagiert. Viel Zeit, mit sich und seiner Partei ins Reine zu kommen, bleibt dem SPD-Chef ohnehin nicht: Nach Lage der Dinge wird Gabriel in drei Jahren selbst als Kanzlerkandidat gegen Angela Merkel antreten müssen.

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