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Update

SPD: Diskussionsentwurf für die Parteireform

Die SPD-Führung hält an ihren Ideen fest. Nichtmitglieder sollen mehr Einfluss bekommen und die SPD soll "Kümmererpartei" werden. Details des Reformkonzepts, das dem Tagesspiegel vorliegt, finden Sie hier.

Die SPD-Spitze hält vorerst an ihren umstrittenen Ansätzen für eine umfassende Parteireform fest. Das geht aus dem ersten schriftlichen Diskussionsentwurf für ein „Organisationspolitisches Grundsatzprogramm“ von Parteichef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles hervor. Am kommenden Montag sollen SPD-Vorstand und SPD-Parteirat über den Entwurf beraten.

Mit dem 18-seitigen Reformkonzept, das dem Tagesspiegel vorliegt, will die SPD-Führung die Parteimitgliedschaft aktivieren, die SPD für Unterstützer ohne Parteibuch öffnen und die SPD-Führungsstrukturen effektiver machen. „Wir bieten eine Kultur, die Mitglieder willkommen heißt, einführt, fördert und belohnt“, heißt es in dem Papier. „Dazu gehört, dass sie über Kurs und Personal der Partei mit entscheiden können.“ Außerdem müsse die SPD offen sein für Bürger, „die sich engagieren wollen, ohne gleich Mitglied zu werden“, heißt es in dem Entwurf weiter: „Wir sind eine Anlaufstelle für Verbesserer. Auch wenn diese Verbesserer kreativer und unkonventioneller sind, als wir uns das manchmal selbst zutrauen.“ In dem Papier wird versprochen, nicht nur punktuell etwas zu verändern, "sondern einen andauernden Veränderungsprozess" anzustoßen. Konkret schlagen Gabriel und Nahles unter anderem vor, dass in Zukunft:

– die Vorsitzenden aller SPD-Gliederungen, also auch der SPD-Bundesvorsitzende, in der Regel von den Mitgliedern gewählt werden; – alle SPD-Gliederungen ihre Mitglieder über Sachfragen abstimmen lassen können; – auf allen Parteiebenen per Urwahl über die Kandidaten für öffentlicher Ämter und Mandate entschieden werden kann; – an der Aufstellung dieser Kandidaten im Rahmen einer Vorwahl „neben den Mitgliedern auch Sympathisanten“ ohne Parteibuch beteiligt werden können, also auch an der Nominierung des Kanzlerkandidaten; – Unterstützern ohne Parteibuch Rede- und Antragsrecht auf Parteiversammlungen eingeräumt wird; – das Parteipräsidium von derzeit 17 auf neun Mitglieder und der Vorstand von 45 auf 20 Mitglieder verkleinert wird.

Umstritten sind vor allem die Vorschläge zur Verkleinerung der Führungsgremien sowie zur Beteiligung von Nichtmitgliedern. Landesverbände wie Nordrhein-Westfalen fürchten um Posten und Einfluss, sollte der Vorstand nahezu halbiert werden. Gegen die Beteiligung von Nichtmitgliedern an Personalentscheidungen führen Kritiker wie der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit das Argument ins Feld, dadurch werde die SPD-Mitgliedschaft entwertet.

Gabriel und Nahles hingegen verweisen auf die erlahmende Kraft der Mitgliederpartei SPD. Wie es um den Zustand der Sozialdemokratie bestellt ist, hat im Mai 2010 eine Befragung der Ortsvereine gezeigt. Fazit: Die SPD ist eine überalterte, in der Arbeitswelt nicht mehr fest verwurzelte Organisation, deren schrumpfende Basis den Kontakt zu anderen gesellschaftlichen Gruppen mehr und mehr verliert.

Dass Gabriel und Nahles ihr Konzept ohne Abstriche werden durchsetzen können, glauben sie selbst nicht. Mit ihrem Diskussionsentwurf verhält es sich wie mit den anfänglichen Maximalforderungen von Tarifparteien. Man steigt hoch ein, damit dass Ergebnis am Ende nicht zu niedrig ausfällt. Bei der Verkleinerung der Gremien hat die SPD-Führung einigen Verhandlungsspielraum. So könnte der Vorstand nur um 15 statt um 25 Mitglieder verringert werden. Anders sieht es bei der Öffnung der Partei für Nichtmitglieder aus. Gabriel hatte diese Öffnung bei seiner Wahl zum SPD-Chef im Herbst 2009 fest versprochen. Kann er in dieser zentralen Frage keinen Erfolg vorweisen, nimmt seine Autorität Schaden.

Weitere Details aus dem Diskussionsentwurf finden Sie auf der kommenden Seite.

Die Notwenidgkeit einer Parteireform wird vor allem mit den veränderten Ansprüchen der Bürger begründet: "Die Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger an politische Teilhabe sind gewachsen. Sie sind selbstbewusster geworden und wollen sich nicht einfach in eine Organisation „einfügen“. Mitglieder und Sympathisanten wollen Wirkung entfalten. Großorganisationen müssen sich darauf einstellen, dass sie immer mehr Motoren und immer weniger Zahnräder haben, als das früher der Fall war." Auch die Arbeitswelt habe sich stark verändert. "Arbeitsverhältnisse und Arbeitszeiten sind unberechenbarer geworden. Das Leben ist mehr denn je in Bewegung und immer weniger planbar. Ein Fünftel der unter 30-jährigen wohnt weniger als 3 Jahre am gleichen Ort. Eine bewegliche Gesellschaft und eine starre Parteiorganisation, das geht immer weniger zusammen", heißt es in dem Papier.

Veränderte Rollenbilder und vor allem eine Deformation der politischen Teilhabe machen Nahles und Gabriel aus. "Unsere Demokratie hat immer mehr weiße Flecken. Wir sollten kein Traumbild von ihr zeichnen. Immer mehr Menschen nehmen nicht mehr an der demokratischen Willensbildung in unserem Land teil. Soziale Ausgrenzung und demokratische Abkopplung gehen hier oftmals Hand in Hand. Das hält unsere Demokratie auf Dauer nicht aus. Und: Keiner Partei schadet das so sehr wie der SPD. Vielen dieser Bürgerinnen und Bürger fehlen Zuversicht und Vertrauen, aber oftmals teilen sie unsere Werte. Darum müssen wir wieder stärker um sie und für sie kämpfen."

Darauf müsse die SPD reagieren und eine Maxime lautet: "Wir wollen für Politik begeistern. Es soll Freude machen, in der SPD mitzuwirken. Dazu müssen wir unsere innerparteiliche Kultur verbessern." Außerdem wolle die SPD "Kümmererpartei werden", dafür sollen sogenannte "Organizer" den Kontakt zu Personen herstellen, die die Partei nicht mehr erreicht und sie für politische Arbeit begeistern. Ein Wissensmanagement solle installiert werden, um das Know-How der Mitglieder und Sympathisanten nicht verloren gehen zu lassen.

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