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Klitschnass, aber immer noch optimistisch: Christian Ude und sein Wahlhelfer Peer Steinbrück.

© dpa

SPD in Bayern: Schwitzen für den Sieg

Die bayerische SPD hängt weit hinter der CSU - und will jetzt die unentschiedenen Wähler gewinnen. Doch dabei geht es nicht nur um Bayern.

München - Zwei Parteitage, zwei Welten. Die einen machen’s flott, diskret und unaufgeregt. Man trifft sich in klimatisiertem Beton, der Parteichef gibt den kümmernden Landesvater, zufrieden mit sich und seinen Bayern. Und das Wahlprogramm, um das es bei dem Parteitag in München eigentlich ging? Formuliert in kleinstem Kreis, hat es gerade mal 25 Seiten und ist nach vier Wortmeldungen durchgewunken. Zweieinhalb Stunden braucht die CSU am späten Freitagnachmittag. Man will den Angereisten ja nicht den schönen Sommerabend verderben. Die andern haben für das, was sie ihren Wählern versprechen, 150 Seiten gefüllt. Im Internet wurde wochenlang, mit allen Wenn und Abers, debattiert. Der Treffpunkt der SPD-Delegierten ist ein Theaterzelt im Münchner Norden. Heimelig, stimmungsvoll, perfekt ausgesucht für den Spitzenkandidaten Christian Ude, der gern den Großstadt-Bohemien gibt und sich auch als Literat und Kabarettist versucht. Leider hat das Zelt keine Klimaanlage. Und es ist heiß an diesem Samstagvormittag. Aber das passt zur Botschaft der schon nach wenigen Worten im Schweiß badenden Redner: aufholen, rackern wie noch nie, alles geben. Er sei bereit, sich für einen Wahlerfolg zu zerreißen, ruft der sonst so gediegene Ude im klitschnassen Hemd. Für den Endspurt hat sich eigens beurlaubt von seinem Posten als Oberbürgermeister in München. Doch von denen, die ihn zum Ministerpräsidenten wählen sollen, scheint die korrekte Geste bisher ebenso wenig gewürdigt zu werden wie sein Aufruf, im Freistaat endlich die Dauerherrschaft der „Schwarzen“ zu beenden. 29 Prozentpunkte trennen CSU und SPD in der aktuellsten Umfrage. Die einen könnten damit wieder allein regieren, die andern dankten endgültig als Volkspartei ab. 18 Prozent für Bayerns Sozialdemokraten – obwohl ein halbes Dutzend Kabinettsmitglieder in die Verwandtenaffäre verwickelt war, die Energiewende nicht funktioniert, die Mieten in Bayerns Städten explodieren, die Unzufriedenheit mit der Schulpolitik immens ist. Und die SPD es mit dem prominentesten Kandidaten versucht, den sie aufzubieten hat. Kein Wunder, dass sich bei den Genossen Ratlosigkeit breit macht. Er habe keine Erklärung dafür, dass seine Partei bei den Umfragewerten immer weiter abrutsche, gesteht der Landesgruppenchef der bayerischen SPD-Abgeordneten im Bundestag, Martin Burkert. Das einzige Rezept, das dem kernigen Franken dagegen einfällt: „Stimmung machen, um die Stimmen zu bekommen“. Damit seinen Kämpen das Feuer nicht verlöscht, verweist er auf einen Nebenbefund der vernichtenden Umfrage, der bisher kaum Beachtung gefunden habe: 40 Prozent seien noch unsicher, wen sie wählen sollen. Und 15 Prozent entschieden ohnehin erst in der Wahlkabine. „Da ist noch alles drin“, verkündet Burkert trotzig. Peer Steinbrück sieht das auch so. Wenn es gelinge, nur die Hälfte derer zurück zu kriegen, die sich nach 1998 von der SPD abgekehrt hätten, sei „das Ding zu gewinnen“. Der Kanzlerkandidat weiß, wie wichtig die neun Millionen bayerischen Wähler auch für die Bundestagswahl eine Woche danach sind. Deshalb steht er ja hier in diesem dampfenden Zelt. Und er sagt es auch: Wenn man bei denen nicht ordentlich punkte, könne man in den norddeutschen Ländern „noch so gut abschneiden“, es helfe gar nichts. Jetzt gehe es darum, mit Seehofer „die größte lose Kanone, die ich je kennengelernt habe, endlich von Bord zu werfen“. Wichtig sei dafür vor allem eines: Mobilisierung der Wähler. „Lasst euch nicht nervös machen“, ruft Steinbrück den Schwitzenden zu. Und erzählt, selber schweißnass, von einer Notiz des legendären Herbert Wehner, die er sich habe rahmen lassen. Sie bestehe aus einem einzigen Wort. „Weitermachen.“Rainer Woratschka

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