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Martin Schulz ist um Distanz zur Regierung bemüht.

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SPD-Kanzlerkandidat: Martin Schulz auf der Suche nach Distanz zur Regierung

Martin Schulz scheut die Nähe zur Regierung, um sein Versprechen vom Neuanfang nicht zu gefährden. Das ist nicht so einfach, wie der Spagat zwischen SPD-Frühjahrsempfang und Koalitionsausschuss zeigte.

Von Hans Monath

Martin Schulz hat nun doch beides hinbekommen – nämlich am Mittwochabend die SPD im Koalitionsausschuss zu vertreten und am Frühjahrsempfang der eigenen Bundestagsfraktion teilzunehmen. Vor zehn Tagen hatte der Kanzlerkandidat und neue SPD-Chef seine Koalitionspartner von der Union massiv verärgert, als er ankündigte, er wolle den Verhandlungen um die Vorhaben der gemeinsamen Regierung in den letzten Monaten der Legislaturperiode fernbleiben und sich vertreten lassen. Er stehe zur großen Koalition, versicherte er, verwies aber auf den Frühjahrsempfang der SPD-Fraktion: „Da bin ich.“

Nachdem Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) ihm deshalb mangelndes Verantwortungsbewusstsein und „Arbeitsverweigerung“ vorgeworfen hatte, fand sich dann doch eine Lösung: Erst hielt der SPD-Chef am Mittwochabend auf dem Fraktionsempfang im Reichstag die Rede zur Verleihung des „Otto-Wels-Preises für Demokratie“. Mit dem Preis zeichnet die Fraktion junge Menschen aus, die sich auf kreative Weise für Zusammenhalt und gegen Ausgrenzung einsetzen.

Um 20 Uhr dann kam Schulz 400 Meter weiter ins Kanzleramt, um über das Rückkehrrecht von Teilzeit- in Vollzeitjobs, die Begrenzung von Managergehältern und die „Ehe für alle“ zu verhandeln.

Schulz steht vor einem Dilemma

Was einem unvoreingenommenen Beobachter wie ein kindisches Vermeidungsverhalten erscheint, hat einen ernsten, durchaus politischen Hintergrund: Der SPD-Kanzlerkandidat mit dem Image des Außenseiters und Rebells bemüht sich um weitestgehende Distanz zur großen Koalition und zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Allzu große Nähe, so fürchtet er offenbar, könne sein Versprechen eines Neuanfangs gefährden.

Am Beispiel seines Vorgängers Sigmar Gabriel konnte Schulz genau studieren, wie das jahrelange Schmieden von Kompromissen mit der Union die Glaubwürdigkeit eines sozialdemokratischen Politikers aushöhlt, wenn der zugleich für linke Politik weit jenseits der großen Koalition wirbt.

Dabei steht der Kandidat vor einem Dilemma: Einerseits drängen manche in der SPD-Spitze ihn dazu, auch symbolisch deutlich zu machen, dass er nicht Befehlsempfängerin der Kanzlerin ist, sondern als SPD-Chef gleichberechtigt der CDU-Chefin gegenübersteht. Denn kein Szenario für den Ausgang der Bundestagswahl schreckt Sozialdemokraten mehr als die Aussicht, möglicherweise doch die große Koalition als Juniorpartner von Angela Merkel fortführen zu müssen.

Doch zugleich ist die Partei, die Schulz nun führt, noch sechs Monate lang Regierungspartner. Nicht umsonst warf Kauder dem SPD-Kanzlerkandidaten im Streit um dessen Teilnahme am Koalitionsausschuss vor, dieser denke nur an den Wahlkampf, also an die eigenen Parteiinteressen, und nicht an das Land. Den Eindruck, er wolle nur Versprechungen für die Zeit nach dem 24. September abgeben, aber nicht ernsthaft Politik machen, muss Schulz sechs Monate vor der Bundestagswahl vermeiden.

Vor allem bei der „Ehe für alle“ bemühte sich die SPD vor dem Treffen, Druck auf den Koalitionspartner aufzubauen. Nach dem Willen der Sozialdemokraten soll die Ehe künftig auch gleichgeschlechtlichen Paaren offenstehen. Die Union dagegen hält eingetragene Lebenspartnerschaften für ausreichend.

„Ich hoffe, CDU und CSU springen endlich über ihren Schatten“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Die Gesetzesinitiative spiegele den gesellschaftlichen Wandel und die Tatsache wider, dass die meisten Deutschen die Homo-Ehe mittlerweile befürworten. Falls die Union blockiert, will die SPD sich im Bundestagswahlkampf für das Thema starkmachen.

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