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Wahlsieger. Olaf Scholz wird Bürgermeister von Hamburg bleiben.

© dpa

SPD nach der Hamburg-Wahl: Die vielen Baustellen von König Olaf

Die SPD bleibt stärkste Kraft, auch wenn sie sich einen Koalitionspartner suchen muss. Dabei hat Olaf Scholz nur versprochen, alte Versprechen zu halten.

„Kaiserwetter“ nennt man es, wenn der Himmel blau und der Tag sonnig ist. Einer Lesart nach geht der Begriff auf Kaiser Wilhelm II. zurück, der bei Volksfesten, die ihm zu Ehren stattfanden, entsprechendes Wetter genoss. Was sich den 1,3 Millionen Wahlberechtigten in Hamburg gestern bot, ließe sich wohl eher als „Königswetter“ bezeichnen. Denn der, zu dessen Fest der Sonntag wurde, auch wenn der Himmel neblig blieb, ist König Olaf, wie der Erste Bürgermeister der Hansestadt, Olaf Scholz, auch genannt wird.

Die Hamburger haben eine neue Bürgerschaft gewählt und der Gewinner war schon lange vorher bekannt: Olaf Scholz. Dennoch kann sich Scholz nicht uneingeschränkt freuen, denn seine absolute Mehrheit ist dahin, der König wird sich fortan einen Koalitionspartner suchen müssen. Der am Sonntag um 18 Uhr veröffentlichten Prognose der Forschungsgruppe Wahlen zufolge erreichen die Sozialdemokraten 46,5 Prozent. Bei der Hamburger SPD brach nach der Verkündung des Ergebnisses großer Jubel aus, der fast noch größer wurde, als das katastrophale Ergebnis der CDU eingebelndet wurde. Dorothee Stapelfeldt, Zweite Bürgermeisterin im Senat, sagte : „Ein Super-Ergebnis für unsere Partei. Das zeigt, dass unsere Arbeit der letzten vier Jahre von der Mehrheit der Hamburger Bürger für richtig gehalten wurde.“

Knapp zehn Jahre lang waren die Sozialdemokraten in der Opposition zur Regierung von Ole von Beust – ein Schock für die damals heftig zerstrittene Partei, die erst Olaf Scholz in Reih und Glied gebracht hat. Seit ihrem ersten Nachkriegsbürgermeister Max Brauer stellte die SPD 55 Jahre lang den Ersten Bürgermeister. Ausnahmen fallen also ins Gewicht.

Die Hamburger SPD unter Scholz ist wieder eine wirtschaftsorientierte Partei – in einer reichen, prosperierenden Stadt wie Hamburg funktioniert das. So ist auch das Wahlergebnis vom Sonntag eins, das die Unternehmer der Stadt an der Elbe zu großen Teilen mitgetragen haben. Der Unternehmensverband Nord hatte Scholz noch bei seinem Neujahrsempfang ausdrücklich gelobt und die gute Zusammenarbeit betont. Das würde in Zeiten einer rot-grünen Regierung in Hamburg womöglich anders werden. Dies weiß auch Scholz, der auf einen Kurs gesetzt hat, der einerseits wirtschaftliches Wachstum befördert und andererseits soziale Gerechtigkeit einfordert.

Das Gespräch mit den Grünen war im Falle des Verlusts der absoluten Mehrheit stets versprochene Sache. Die Themen, um die es für die neue Regierung gehen muss, sind gesetzt. Schon vor vier Jahren hielt Scholz sich nicht lange mit Feierlichkeiten auf. So wird es auch diesmal sein. „An die Arbeit“ lautet die Parole.

Die Themen: Verkehr, Flüchtlinge, Bildung und Wohnen

Den Hamburgern liegen vor allem die vier Themen Verkehr, Ausländer und Flüchtlinge, Bildung und Wohnen am Herzen. Dies bedeutet, dass weiterhin etwa 6000 Wohnungen im Jahr fertiggestellt werden sollen, davon ein Drittel geförderter Wohnraum. Es bedeutet auch, dass selbst wenn im Parlament noch darüber gestritten wird, die letzten 200 der veranschlagten 260 Millionen Euro für das Busbeschleunigungsprogramm der SPD ausgegeben werden. Und weil 71 Prozent der Bürger den Bau einer in den Straßenverkehr integrierten Stadtbahn ablehnen, wird es – das hat Olaf Scholz unmissverständlich klargemacht – keine solche Straßenbahn geben. Ein solches Langzeitprojekt hätte Baustellen auf etwa 200 Kilometern im Stadtgebiet zur Folge. Ebenfalls sofort wird die Flüchtlingsthematik, die Hamburg als Großstadt intensiv beschäftigt, eine Rolle spielen. 21 000 Flüchtlinge leben in der Hansestadt, 800 kommen jeden Monat dazu. Die Grünen möchten am liebsten jede 10. Sozialwohnung räumen lassen und Flüchtlinge dort einquartieren. Die SPD präferiert andere Möglichkeiten und hat mit allem, was nach Enteignung klingt, ein Problem. Darüber, dass die in Not geratenen Menschen nicht nur in einigen wenigen Stadtteilen untergebracht werden sollen, besteht bei allen Parteien Übereinstimmung. Der Bundesrat hatte kürzlich einer in Hamburg entwickelten Alternative zugestimmt, nach der Flüchtlingsunterkünfte nun doch – anders als zuvor – in Gewerbegebieten untergebracht werden können. Das öffnet auch für die Hamburger weitere Flächen.

Allerdings wird sich Olaf Scholz auf eine Amtszeit einrichten müssen, die weniger geschmeidig verläuft als die erste. Was, wenn der Flüchtlingsstrom, von dem die SPD jetzt schon überrascht war, schnell ansteigt? Die Möglichkeit besteht durchaus und ein Konzept, das eine menschenwürdige Unterbringung garantiert, gibt es bislang nicht.

Den Haushaltsüberschuss von mehr als 400 Millionen Euro wollte Scholz immer in die Tilgung der Schulden stecken. Davon wird er nicht abweichen. Allerdings konnte er zuletzt leicht Gewinne abschöpfen. Was, wenn die nächsten drei Jahre Dellen in die Konjunktur bringen? Was, wenn die Hafenwirtschaft aufgrund von weltpolitischen Verwicklungen in ein Tief gerät? Kann Olaf Scholz auch Krise? Kann er auch mit oder gegen eine Rezession bei seinen Versprechen bleiben?

Die Elbvertiefung ist immer noch offen

Scholz hat nichts Neues versprochen in diesem Wahlkampf – sondern nur, die Versprechen von einst einzuhalten. Abzuwarten bleibt das Urteil des Verwaltungsgerichts in Leipzig zur „Fahrrinnenanpassung“, also der Vertiefung der Elbe. Der Ausbau wurde in letzter Minute gestoppt. Die Hamburger Wirtschaft wartet dringend auf den Bescheid, der allerdings wohl erst nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Ausbau der Weser kommt.

Die Elbphilharmonie soll nun, Scholz hat sich da festgelegt, im Jahr 2017 eröffnet werden. Wer die Betriebskosten zahlen soll, ist aber nicht klar. Die Erhebung, die bisher dafür vorliegt, stammt aus dem Jahre 2008 – also aus der Beust-Zeit – und ist alles andere als detailliert und zu Ende gedacht. Eine neue Berechnung soll im Sommer vorliegen. Ebenfalls 2017 könnte entschieden werden, ob Hamburg die Olympischen Sommerspiele bekommt, wenn es sie denn will. Ob aber ein Referendum Auskunft über die Meinung der Bürger geben wird oder es doch bei einer Art repräsentativer Umfrage bleibt, war zuletzt nicht gewiss. Scholz will Teile des Hafengebietes für die Errichtung von olympischem Dorf und Sportstätten nutzen und dafür Betriebe umsiedeln. Vor der Wahl sagte der Bürgermeister, dass er für Olympia nicht an der „Schuldenbremse rütteln“ wird. Ob und wie er aber Geld für Olympia 2024 bekommen kann, ist ungewiss. Pläne, die die Kosten konkretisieren würden, liegen noch nicht vor. In Hamburg werden kostspielige Unterfangen neuerdings in „Elbphilharmonie“ gemessen. Wie viel Elbphilharmonie wäre Hamburg bereit, für die Spiele auszugeben?

Stephanie Nannen

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