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SPD-Parteitag: Beck und Müntefering: Vergeben und vergessen

Nach ihrem wochenlangen Streit über das Arbeitslosengeld I sind SPD-Chef Kurt Beck und Vizekanzler Franz Müntefering demonstrativ aufeinander zugegangen. Mit einer ganzen Reihe von Beschlüssen vergrätzte die Partei den Koalitionspartner.

Nach einer leidenschaftlichen Rede von Arbeitsminister Müntefering präsentierten sich beide auf dem SPD-Bundesparteitag in Hamburg einträchtig den jubelnden Delegierten. Müntefering betonte, mit ihm sei weiter zu rechnen: "Es ist noch was da. Ich bin noch nicht ausgetrocknet." Auf den Machtkampf wegen der längeren Zahlung von Arbeitslosengeld I an Ältere ging er nicht direkt ein. Am Vorabend hatte der Parteitag Becks Pläne gegen Münteferings Willen gebilligt.

Die Sozialdemokraten stimmten der umstrittenen Teilprivatisierung der Bahn unter Vorbehalten zu. Außerdem forderten sie mit knapper Mehrheit ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen. Entsprechende Forderungen hatten früher schon - ohne Konsequenzen - mehrere SPD-Parteitage beschlossen. Die Delegierten sprachen sich ferner für eine weitere deutsche Beteiligung an der US-geführten Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" (OEF) in Afghanistan aus sowie für einen freiwilligen Wehrdienst. Gegen Dumpinglöhne soll es eine allgemeine Lohnuntergrenze von 7,50 Euro in der Stunde geben.

Union kritisiert Bahn-Beschluss

Um eine drohende Ablehnung der Pläne zur Teilprivatisierung der Bahn zu verhindern, sicherte Beck den rund 500 Delegierten zu, dass vor einer endgültigen Zusage der SPD an den CDU/CSU-Koalitionspartner noch einmal die Parteigremien mit dem Thema befasst werden. Notfalls soll ein Parteitag entscheiden. Die SPD will nun mit der Union über ihre Pläne zur Einführung einer stimmrechtslosen Bahn-Volksaktie verhandeln. Damit will die SPD verhindern, dass Großinvestoren aus Gewinnstreben die Stilllegung von wenig rentablen Strecken erreichen und so die Struktur des Unternehmens mit seinen 230.000 Mitarbeitern zerschlagen. Die Union kritisierten den SPD-Beschluss.

Mit der Forderung nach einem Tempolimit auf Autobahnen und einem radikalen Umbau der Energiepolitik verschärfte die SPD den Kampf gegen den Klimawandel. "Ein schneller und unbürokratischer Weg zum Klimaschutz ist die Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h", heißt es in dem Beschluss. Die Antragskommission hatte sich gegen das Tempolimit ausgesprochen. Bislang waren vor allem Grüne und Linke für ein solches Limit. Sie begrüßten die Entscheidung. Kritik kam von der Union, der Automobilindustrie und dem Verkehrsclub ADAC.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nannte das Tempolimit ein Symbol für den Klimaschutz. "Ich habe kein Problem mit dem Tempolimit. Die Wahrheit ist aber auch, dass dadurch 2,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden, notwendig sind aber 270 Millionen Tonnen", sagte er. Zur Senkung der Treibhausgase um 40 Prozent bis 2024 beschloss der Parteitag, dass der Anteil erneuerbarer Energien um 14 Prozent und von Biokraftstoffen um 20 Prozent gesteigert werden müsse. Der Stromverbrauch müsse bis dahin durch Einsparungen zudem um 11 Prozent gesenkt werden.

Mindestlohn: 7,50 Euro

Die Partei sprach sich außerdem für einen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde aus. Die Delegierten billigten den Leitantrag "Gute Arbeit" des Vorstandes. Darin setzen sich die Sozialdemokraten ein für Vollbeschäftigung und für Leiharbeiter gleichen Lohn bei gleicher Arbeit wie die Beschäftigten der Stammbelegschaften. Müntefering nannte Mindestlöhne unverzichtbar. Er verteidigte seine Ablehnung einer längeren ALG-I-Zahlung: "Ich glaube, dass ich Recht habe in der Sache", sagte er dem Fernsehsender Phoenix. Aus Respekt vor der Funktion des Parteivorsitzenden habe er sich auf dem Parteitag nicht mehr mit Beck angelegt.

Befürwortet wurde eine wieder längere Zahlung des Kindergeldes bis zum 27. Lebensjahr, einstimmig ablehnt das von Teilen der Union geforderte Betreuungsgeld für die häusliche Erziehung von Kleinkindern ab. Eine große Mehrheit votierte für eine Verlängerung des auslaufenden Bundeswehr-Mandats in Afghanistan. Vorgeschlagen wird eine neue Afghanistan-Konferenz, um das deutsche und internationale Engagement zu überprüfen. (mit dpa)

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