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Selbstverständlich ambitioniert. Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück auf einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion in Oberhausen.

© dapd

SPD: Peer Steinbrück: Unterm Strich obenauf

Peer Steinbrück gefällt sich als potenzieller SPD-Kanzlerkandidat – das nervt viele in seiner Partei. Für sein Buch "Unterm Strich" wird er ausgezeichnet. Die Festrede hält kein Geringerer als Wolfgang Schäuble.

Berlin - Vaclav Havel, Michael Gorbatschow und Helmut Schmidt haben ihn schon. Nun reiht sich Peer Steinbrück ein in die illustre Riege der Staatsmänner und Geistesgrößen, die von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Preis „Das politische Buch“ ausgezeichnet werden. Steinbrück wird die Ehrung an diesem Dienstagabend für sein Werk „Unterm Strich“ zuteil. Die Festrede in der Berliner Dependance der Stiftung hält sein Nachfolger im Amt des Bundesfinanzministers, Wolfgang Schäuble (CDU).

Es wird in den nächsten Tagen also wieder viele freundliche Schlagzeilen geben für einen Sozialdemokraten, der sich nicht nur als Autor, sondern auch als Politiker vieles zutraut – sogar die Kanzlerschaft. In der SPD aber betrachten viele mit Misstrauen, wie sich der einfache Abgeordnete Steinbrück selbst zum aussichtsreichen Anwärter auf die SPD-Kanzlerkandidatur aufbaut.

Inzwischen spricht der Ex-Kassenwart der großen Koalition auf seinen Vortragsreisen durchs Land recht offenherzig über eine mögliche Bewerbung. „Was diese Personalien angeht, wird sich das irgendwann zurechtrütteln“, erklärte er jüngst bei einem Auftritt an der Universität Greifswald mit Blick auf die Kanzlerkandidatenfrage in der SPD. Im Publikum saß ein Reporter der „Welt“ und notierte fleißig mit.

Die Selbstverständlichkeit, mit der sich Steinbrück in der Öffentlichkeit als potenzieller Kandidat ins Spiel bringen lässt, ärgert vor allem Vertreter des linken SPD-Flügels. Dass der Ex-Minister und erklärte Helmut-Schmidt-Fan Mitte Mai in einem Hörfunkinterview erklärt hatte, er werde sich zu gegebenem Zeitpunkt „in Absprache mit zwei oder drei Führungspersönlichkeiten der SPD“ zusammensetzen, um die K-Frage zu klären, empfanden etliche SPD-Linke als Anmaßung.

Der Unmut über Steinbrücks Vorgehen reicht bis in die Spitze der Parlamentarischen Linken (PL), dem Zusammenschluss der Bundestagsabgeordneten vom linken SPD-Flügel. Zu den Steinbrück-Kritikern zählen zum Beispiel die PL-Vorstandsmitglieder Hilde Mattheis und Waltraud Wolff, die zu mehr Zurückhaltung mahnen. „Selbstausrufungen haben in der SPD keinen Platz. Über die Kanzlerkandidatur entscheiden die Gremien oder die Mitglieder“, sagt Mattheis. „Es ist nicht opportun in der SPD, zu sagen: Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem ich mich in Absprache mit zwei oder drei Führungspersönlichkeiten zusammensetze“, moniert Wolff.

Hinter vorgehaltener Hand fällt die Kritik noch deutlicher aus. „Die Achtung und Anerkennung, die sich Steinbrück als Finanzminister erworben hat, ist durch die vorgezogene Kanzlerkandidatendebatte, die er ausgelöst hat, erheblich erschüttert worden“, beschreibt ein führender SPD-Linker die Stimmung. Und die „FAZ“ zitierte kürzlich eine ungenannte Führungskraft der SPD-Linken mit der Ansage, Steinbrück müsse ein „Stoppsignal“ gesetzt werden, da die verfrühte Kanzlerkandidaten-Debatte der SPD schade.

Hinter den Attacken verbergen sich auch grundsätzliche Vorbehalte. Steinbrück gilt noch immer als Verfechter der Agenda 2010, von deren Folgewirkungen sich die SPD bis heute nicht völlig erholt hat. Immerhin ist es der SPD unter Parteichef Sigmar Gabriel gelungen, den ewigen Streit zwischen Reformbefürwortern und Reformskeptikern zu beenden. Die dafür notwendige Korrektur etwa der Position zur Rente mit 67 hat Steinbrück seinerzeit aber nicht mitgetragen. Dass die Rente mit 67 erst dann eingeführt werden soll, wenn mindestens die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, kritisierte er als Fehler.

Führende SPD-Linke befürchten, es könne zu einer neuen Spaltung zwischen Sozial- und Wirtschaftsflügel kommen, wenn Steinbrück nach der Kanzlerkandidatur greife. Die Parteilinke will die Latte für ihn deshalb hochlegen. „Jeder Kanzlerkandidat ist unseren Parteitagsbeschlüssen verpflichtet“, sagt SPD-Vorstandsmitglied Mattheis. „Es darf keine Glaubwürdigkeitslücke zwischen dem Kurs der Partei geben und dem Kanzlerkandidaten geben.“

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