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Politik: SPD-Spitze: Keine Verfassungsänderung für Neuwahl

Bundeskanzler Gerhard Schröder und SPD-Chef Franz Müntefering haben Spekulationen über eine Grundgesetzänderung für die geplante vorgezogene Bundestagswahl beendet. "Es gibt keine Überlegungen des Kanzlers zu einer Verfassungsänderung", sagte eine Regierungssprecherin am Samstag in Berlin. (28.05.2005, 20:43 Uhr)

Berlin - Der Kanzler «möchte auf Grundlage des Grundgesetzes und durch Stellen der Vertrauensfrage am 1. Juli dem Bundespräsidenten ermöglichen, Neuwahlen herbeizuführen». Die Grünen hatten SPD-Gedankenspiele über eine Verfassungsänderung zuvor vehement abgelehnt.

Müntefering sagte in Fernsehinterviews über eine mögliche Verfassungsänderung: «Da gibt es keine Überlegungen. Wir wollen das auf der Grundlage des Grundgesetzes machen, so wie es ist.»

SPD-Fraktionsvize Michael Müller hatte angesichts verfassungsrechtlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Vertrauensfrage zunächst im Deutschlandradio Kultur gesagt, man werde mit den anderen Parteien und Fraktionen auch über eine Verfassungsänderung im Hinblick auf die angestrebte Neuwahl sprechen. Später sagte er, er habe lediglich über Möglichkeiten gesprochen, die die Verfassung theoretisch vorsehe. Mit einer Verfassungsänderung könnte eine Möglichkeit zur Selbstauflösung des Bundestages geschaffen werden.

Grünen-Fraktionschefin Krista Sager sagte im RBB, sie halte nichts davon, «das Grundgesetz zu ändern, wie man es jetzt gerade braucht». Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagte: «Die Verfassung ist kein Selbstbedienungsladen.» Auch eine Koppelung der am 1. Juli geplanten Vertrauensfrage von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit der Abstimmung über die Unternehmenssteuern wollen die Grünen nicht mittragen.

Nach der Eskalation im rot-grünen Steuerstreit versuchte Müntefering, den Konflikt mit den Grünen zu begrenzen. Einen Tag vor einem Strategietreffen der Grünen-Führung an diesem Sonntag sagte er: «Die rot-grüne Koalition hat sich bewährt.» Distanz zwischen beiden Parteien sei aber taktisch geboten. Scharfe Kritik an den Grünen kam hingegen von SPD-Vize Kurt Beck und SPD-Vorstandsmitglied Sigmar Gabriel.

Kurt Beck warf den Grünen in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» vor, Vereinbarungen mehrfach nicht eingehalten und sich gegenüber der SPD oft «reichlich unfein» verhalten zu haben. Gabriel hielt dem Koalitionspartner in der «Welt am Sonntag» vor, «Investitionsmaßnahmen, Planungsmaßnahmen und Innovationsmaßnahmen mit einer überbordenden Bürokratie zu befrachten». Sie hätten die SPD so an der Schaffung von Arbeitsplätzen gehindert. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte daraufhin der in Stuttgart erscheinenden Zeitung «Sonntag Aktuell»: «Das dumme Gerede von Sigmar Gabriel und Kurt Beck sagt mehr über deren Desorientierung. Gabriel schießt immer aufs falsche Tor. So hat er schon Niedersachsen verloren.»

Die SPD-Fraktion setzt weiterhin auf die Möglichkeit, die Vertrauensfrage an das Thema Unternehmenssteuern zu koppeln. Die Grünen wollen der beschlossenen Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 19 Prozent nur bei ausreichender Gegenfinanzierung zustimmen. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte laut «Welt» (Samstag), nachdem die Grünen das Projekt nicht mehr mittragen wollten, habe der Kanzler für «diese unverzichtbare Reform» keine eigene Mehrheit. Dies biete Schröder einen triftigen Grund für die Vertrauensfrage.

Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Beck lehnte ein solches Vorgehen ab und drohte mit einem Nein bereits im zuständigen Bundestagsausschuss. In der «Tageszeitung» (Samstag) warnte er die SPD vor einem Bruch der Koalitionsvereinbarung, nach der kein Partner bei strittigen Fragen Alleingänge unternehmen dürfe. Schleswig- Holsteins Grüne stellten die Koalition im Bund in einer Resolution des Landesparteitags in Frage. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer betonte daraufhin jedoch, die Grünen lehnten «den von verschiedenen Seiten ins Gespräch gebrachten Ausstieg aus der Koalition ausdrücklich ab».

SPD-Fraktionsvize Müller zeigte sich zuversichtlich, in der nächsten Woche «eine Lösung» bei der Unternehmenssteuer zu finden. Schröder wolle über Modalitäten einer Vertrauensfrage «bis Ende nächster Woche Klarheit schaffen», berichtete die «Berliner Zeitung» unter Berufung auf SPD-Kreise. (tso)

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