zum Hauptinhalt

SPD: Streit um Kurswechsel geht weiter

Produktiver Beitrag zur inhaltlichen Debatte oder Sozialromantik? Wenige Tage vor der Klausur der SPD-Spitze streitet die Partei über ein Papier der Partei-Linken, die eine Neuausrichtung sozialdemokratischer Politik fordert. Dabei dreht sich die Diskussion nur in zweiter Linie um die Inhalte des Papiers.

Der Aufruf mehrerer SPD-Linker zu einer Kehrtwende in der Steuer- und Sozialpolitik wird in der Partei heftig kritisiert. Selbst Vertreter des linken Flügels distanzierten sich davon. Der dem konservativen Flügel zugerechnete Wirtschaftsexperte der Bundestagsfraktion, Rainer Wend, kritisierte sogar Parteichef Kurt Beck, weil er die Vorschläge nach nicht ausreichend klar zurückgewiesen habe. "Angesichts solcher Vorschläge gibt es für einen Parteivorsitzenden nur eines: die unmissverständliche Ansage, dass das falsch ist", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Zu den 60 Erst-Unterzeichnern des Aufrufs zählen neben bekannten Gewerkschaftern und Betriebsräten auch 19 Abgeordnete der SPD- Bundestagsfraktion. Sie fordern unter anderem die Rücknahme der Rente mit 67 und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.

"Selbstverliebtheit statt konstruktiver Politik"

Der linke Sozialpolitiker Ottmar Schreiner nannte den Aufruf in der "Frankfurter Rundschau" einen "Beitrag für eine produktive Diskussion, an der die SPD nicht vorbeikommt". Die schlechten Umfragewerte der SPD könnten sich nur bessern, wenn die Partei glaubwürdig für mehr Gerechtigkeit eintrete. Der "Passauer Neuen Presse" sagte Schreiner: "Eine Korrektur von Fehlentwicklungen ist unabdingbar." Das gelte insbesondere für die Ausbreitung des Niedriglohnsektors.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil erteilte einer Kehrtwende am Dienstagabend im ZDF eine Absage. Die "Agenda 2010"-Reformen seien erfolgreich gewesen. Die notwendigen sozialen Ergänzungen habe der Hamburger Parteitag beschlossen. "Das gilt. Das ist die Meinung der gesamten SPD-Führung", sagte Heil.

Auch der Sprecher der SPD-Gruppierung Parlamentarische Linke, Ernst-Dieter Rossmann, äußerte sich kritisch. "Es hat keinen Sinn mehr, sich erneut für die Frage der Rente mit 67 zu verkämpfen." Vielmehr gehe es um flexible Übergänge in den Ruhestand, erklärte er in den "Stuttgarter Nachrichten". Der Aufruf enthalte positive Aspekte, sei aber nur "ein Beitrag unter anderen zur Sach- und Programmdebatte". Der ebenfalls der Parlamentarischen Linken angehörende Fraktionsvize Ulrich Kelber kritisierte im "Kölner Stadt- Anzeiger": "Das sind nicht unsere Positionen." Der Ruf "zurück zu alten Ufern" sei unehrlich und zeuge "mehr von Selbstverliebtheit, als von konstruktiver Politik".

Kahrs: "Dämlicher Zeitpunkt der Veröffentlichung"

Der zu den konservativen Sozialdemokraten gezählte Arbeits- Staatssekretär Klaus Brandner wandte sich im selben Blatt "entschieden dagegen, den erfolgreichen Weg, den wir mit der Reformpolitik eingeschlagen haben, wieder zu verlassen". Der Chef der baden-württembergischen Landesgruppe in der SPD-Fraktion, Christian Lange, schloss sich in den "Stuttgarter Nachrichten" an: "Wir brauchen keine neue Ausrichtung." Der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt, mahnte in der "Frankfurter Rundschau", die SPD könne den Wettlauf mit der Linkspartei um die schönsten Zielformulierungen nicht gewinnen.

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, bestritt dagegen einen Richtungsstreit. An dem Papier seien nur ein paar Punkte umstritten. "Die sind aber auf dem Bundesparteitag in Hamburg entschieden worden", sagte er dem Bayerischen Rundfunk. In der "Welt" kritisierte Kahrs den "dämlichen Zeitpunkt der Veröffentlichung" vor der Tagung der Partei- und Fraktionsspitze am kommenden Sonntag. Auf der Klausur wollen Beck und sein Stellvertreter, Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier, gemeinsame Positionen für den Weg zu einem neuen Regierungsprogramm präsentieren.

Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) warnte den Koalitionspartner vor einer Abkehr vom Reformkurs. "Eine Rückabwicklung der "Agenda 2010" kommt überhaupt nicht infrage", sagte er der "Märkischen Allgemeinen". (nis/dpa)

Zur Startseite