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Die Union will Transitzonen, um Flüchtlinge schneller loszuwerden. Sie SPD spricht sich für Willkommenszentren aus.

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Update

Koalitionsstreit über Flüchtlingspolitik: Transitzonen sind "nicht praktikabel, nicht human"

Nachdem gescheiterten Koalitionsgipfel werden die Töne rauer. Die CSU fordert weniger „Bockigkeit“ von der SPD. Die wirft der Union vor, ein unmenschliches Registrierungssystem schaffen zu wollen.

Nach dem Scheitern des Koalitionsgipfels zur Flüchtlingskrise streiten Union und SPD heftig über die Schaffung sogenannter Transitzonen. Die Vorsitzende der CSU-Bundestagsabgeordneten, Gerda Hasselfeldt, forderte den Koalitionspartner am Montag im Deutschlandfunk auf, sich in dem Punkt zu bewegen. Es sei für die SPD an der Zeit, zu einer sachlichen Bewertung der Transitzonen zurückzukehren.

Bei dem vorgeschlagenen Konzept handle es sich weder um umzäunte Gefängnisse noch würden Haftbedingungen vorherrschen, „weil man sehr wohl raus kann, und in die Richtung des Landes, aus dem man kommt“. Die Parteien seien in einer gemeinsamen Verantwortung, für die Aufnahme der Flüchtlinge eine schnelle Lösung zu finden, erklärte die CSU-Landesgruppenchefin.

Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), forderte den Koalitionspartner im ARD-„Morgenmagazin“ auf, „diese Bockigkeit aufzugeben“. Die Partei müsse erkennen, dass man die Integrationskraft der Gesellschaft nicht überfordern dürfe.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat sich dagegen positiv über den Ausgang des Koalitionsgipfels geäußert, obwohl seine Kernforderungen nicht erfüllt wurden. Er sei "für den Moment zufrieden", sagte Seehofer am Montagmorgen vor Beginn einer CSU-Vorstandssitzung in München vor Journalisten. "Das hat jetzt einen Drive."

Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer begrüßte die Einigung der beiden Unions-Schwesterparteien auf das gemeinsame Positionspapier. Darin sprächen CDU und CSU erstmals von der Reduzierung der Flüchtlingszahlen als einem gemeinsamen "Kernziel", sagte er am Montagmorgen in München. Auch beim darin niedergelegten Konzept der Transitzonen und dem Thema gesellschaftliche Integration sei "die bayerische Handschrift sehr klar zu erkennen".

Scheuer warf SPD-Chef Sigmar Gabriel vor, die Idee der Transitzonen "einfach nicht verstanden" zu haben. Die CSU wolle keine "Haftanstalten oder Internierungslager" schaffen. Niemand werde gezwungen, nach Deutschland zu kommen und sich in den Transitzonen zu melden. "Die Tür nach hinten ist immer offen." Der CSU gehe es mit dem Konzept um ein "geordnetes Verfahren", ergänzte er.

"Unsägliche Symbole", "Nebelkerzen"

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner dagegen bezeichnete Transitzonen als „nicht praktikabel, nicht verfassungskonform und nicht human“. Das Unionskonzept würde nichts nützen und nur der Stimmungsmache dienen. Die SPD lehnt es vor allem ab, Flüchtlinge in solchen Zonen notfalls auch festzuhalten. Als Alternative hat sie dezentrale und nicht abgeriegelte sogenannte Einreisezentren vorgeschlagen, in denen sich Flüchtlinge als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen registrieren lassen sollen.

Auch die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), hat Vorwürfe gegen die Union erhoben. Die Unionsparteien arbeiteten bei ihrer Forderung nach Transitzonen mit "unsäglichen Symbolen" und "Nebelkerzen", kritisierte Özoguz, die auch stellvertretende SPD-Vorsitzende ist, am Montag in Berlin.

"Transitzonen, wie sie im Papier der Unionsparteien vorgeschlagen werden, können nur funktionieren, wenn man Tausende Menschen dort festhält, also inhaftiert", erklärte Özoguz. "Praktisch ist das gar nicht anders denkbar als riesige Lager, in denen ganze Familien, Männer, Frauen und Kinder eingesperrt werden. Dies ist keine Lösung, sondern ein vollkommen irrationaler Schritt."

Einer Begrenzung des Flüchtlingszuzugs stellte sich die Migrationsbeauftragte nicht grundsätzlich entgegen. "Niemand bestreitet, dass wir auf Dauer nicht so viele Flüchtlinge tagtäglich aufnehmen können", erklärte sie. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse nun auf vielen Feldern parallel gearbeitet werden - "an einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik der EU, an der Situation der Lager in der Region, hauptsächlich in Jordanien und der Türkei, an geordneten Verfahren bei uns".

Die Gemeinden sind enttäuscht

Druck auf die Koalition kommt in dieser Situation von den Kommunen. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, zeigte sich am Montag enttäuscht mit dem Ausgang des Koalitionsgipfels zum Thema Flüchtlinge am Vortag. Die Städte und Gemeinden "erwarten nicht Streit, sondern entschlossenes gemeinsames Handeln", sagte Landsberg dem Sender MDR Info. Das könne er bisher kaum erkennen.

Dem Sender SWR Info sagte Landsberg: "Wir haben alle keine Zeit mehr. Wenn täglich 10.000 Menschen kommen, dann bringt das natürlich die Städte und Gemeinden an ihre Leistungsgrenze. Deswegen erwarten wir von der Bundespolitik, aber auch von den Ländern nicht Streit und Ultimaten, sondern entschlossenes Handeln." Ziel müsse es sein, ein "konkretes Maßnahmenpaket mit entsprechenden Gesetzesvorschlägen" zu schnüren.

Das von CDU und CSU nach dem Gipfel am Sonntagabend vorgelegte Positionspapier der Unionsseite enthalte "durchaus vernünftige Ansätze", sagte Landsberg zu MDR Info. Den Kommunen helfe das allerdings nur, wenn die darin genannten Maßnahmen wirklich umgesetzt würden.

Den Streit zwischen Union und SPD um die so genannten Transitzonen kritisierte Landsberg in MDR Info scharf. Für die Kommunen sei entscheidend, "dass der Bund ausreichend große Aufnahmeeinrichtungen schafft, in denen die Leute eine gewisse Zeit bleiben können". Natürlich dürfe daraus keine Haftanstalt werden. Es sei aber wichtig, dass diese Einrichtungen "an der Grenze entstehen, weil das ein Signal nach außen ist".

Ob sich die Regierung am Ende auf die von der Union favorisierten Transitzonen oder auf die von der SPD vorgeschlagenen Einreisezentren verständige, sei unwichtig, sagte Landsberg in SWR Info. "Ich sehe da, ehrlich gesagt, gar nicht so einen Riesenunterschied", sagte er. "Es geht doch darum, dass die vielen Menschen, die hierherkommen, sich zunächst einmal im vom Bund organisierten und finanzierten Zentren aufhalten, ordnungsgemäß registriert und versorgt werden, gegebenenfalls auch schon entschieden wird. Ob man das nun Transitzone oder Einreisezentren nennt, ist für die Kommunen ziemlich gleichgültig." AFP/dpa

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