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Politik: SPD verteidigt Schröders Politik

Partei weist Kritik an Thesen zur Unterschicht zurück und begrüßt Unions-Debatte über Armut

Von Hans Monath

Berlin - Die SPD-Spitze hat Vorwürfe aus den eigenen Reihen und aus dem DGB zurückgewiesen, wonach die Hartz-IV-Reform der Regierung Schröder die Probleme der sogenannten Unterschicht verschlimmert habe. Nach der Telefonkonferenz des Parteipräsidiums sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil am Montag, das Gremium habe über alle Flügel hinweg die von Parteichef Kurt Beck angestoßene Debatte über die neue Armut „einmütig und einstimmig“ begrüßt. Es sei zudem höchste Zeit, dass sich die gesamte Gesellschaft mit diesem Problem auseinandersetze.

„Wir erkennen die Realität an. Wir wollen aber zeigen, dass wir uns damit nicht abfinden“, sagte der Generalsekretär. Den Behauptungen aus den Reihen der SPD-Linken, wonach die Arbeitsmarktgesetze der alten Regierung für die Fehlentwicklungen verantwortlich seien, wies Heil entschieden zurück. Tatsächlich sei mit den Hartz-Gesetzen der Blick auf notwendige soziale Reformen geöffnet worden. Wie zuvor im Tagesspiegel-Interview distanzierte sich Heil erneut von dem Begriff „Unterschicht“. Beck hatte vor acht Tagen die Debatte mit einem Interview angestoßen, sich den Begriff aber tatsächlich nicht zu eigen gemacht.

Der SPD-Generalsekretär begrüßte es, dass nun auch in der Union die Debatte über die neue Armut begonnen habe. „Das ist ein neuer Akzent“, sagte er. Nach SPD-Chef Beck hatte am Wochenende auch Unionsfraktionschef Volker Kauder konkrete Hilfen für dauerhaft von Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung bedrohte Menschen gefordert. „Es gibt in Teilen der Gesellschaft bereits Verwahrlosung“, hatte Kauder der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt. Das Problem habe sich „deutlich verschärft“.

Mit Blick auf Äußerungen von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) begrüßte es Heil, dass Unionspolitiker „mehr Hinwendung des Staates zu Kindern“ forderten. Die Ministerin hatte nach Bekanntwerden des Todes des zweijährigen Kevin aus Bremen vergangene Woche ein neues Frühwarnsystem für vernachlässigte Kinder angekündigt. Öffentliche Betreuungseinrichtungen seien eine Chance für benachteiligte Kinder, um Bildungsdefizite zu beheben und am sozialen Leben teilzunehmen, sagte sie.

Eine neue Studie des Berliner Think Tanks Berlinpolis, die von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde, kommt zu dem Schluss, dass Deutschland trotz hoher Sozialausgaben mehr soziale Ungerechtigkeit produziert als die meisten anderen EU-Staaten. „Wir geben das Geld falsch aus und nehmen es falsch ein“, sagte Berlinpolis-Chef Daniel Dettling dem Tagesspiegel. Im Vergleich zu den erfolgreichen skandinavischen Ländern werde der Sozialstaat zu stark über Abgaben und zu wenig über Steuern finanziert, ausgegeben werde zu viel für individuelle Transfers und zu wenig für soziale Dienstleistungen. Dettling kritisierte, im Zentrum der deutschen Sozialpolitik stehe „nach wie vor die materielle Umverteilung“ statt wie in Skandinavien etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dettling forderte eine neue Grundsicherungsdebatte. „Menschen ohne eine Art Grundvertrauen, dass sie auch in schwierigen Zeiten aufgefangen, unterstützt und immer weiter gefördert werden, sind nicht bereit, den notwendigen Umbau unseres Sozialsystems hin zu einem investiven statt umverteilenden Sozialstaat mitzutragen“, warnte er: „Dann sehen sie sich als Verlierer.“ Deutschland brauche mehr Flexibilität auf den Arbeitsmärkten, aber auch mehr Verlässlichkeit.

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