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SPD-Vorstand: Größerer Umbau erwartet

In der SPD ist eine Diskussion über die Konsequenzen aus dem überraschenden Rückzug von Franz Müntefering als Parteivorsitzender entbrannt. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß verlangte den Rücktritt des gesamten Parteivorstands.

Berlin - Verschiedene SPD-Politiker sprachen sich für den brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck als neuen SPD-Chef aus, nannten aber auch dessen rheinland-pfälzischen Amtskollegen Kurt Beck als Kandidaten.

Die CSU-Spitze will heute in einer Telefon-Schaltkonferenz über die Frage beraten, ob Parteichef Edmund Stoiber wie geplant als Minister nach Berlin geht oder doch in München bleibt. Am Montag hatte Stoiber erklärt, nach Münteferings Rückzug gebe es für ihn eine «veränderte politische Lage». Stoiber soll eigentlich Wirtschaftsminister einer großen Koalition werden.

Dem Vernehmen nach berieten Stoiber, die designierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der hessische Regierungschef Roland Koch (CDU) nach der Koalitionsrunde zum Haushalt am frühen Dienstagmorgen in der CDU-Zentrale in Berlin ihr Vorgehen. Merkel hatte schon am Nachmittag erneut deutlich gemacht, dass sie einen Wechsel Stoibers nach Berlin erwartet.

Müntefering war am Montag über die klare Entscheidung des Parteivorstands für die Parteilinke Andrea Nahles als neue Generalsekretärin gestürzt. Die 35-Jährige setzte sich in geheimer Kampfabstimmung im 45-köpfigen SPD-Vorstand mit 23 zu 14 Stimmen gegen Münteferings Vertrauten Kajo Wasserhövel durch.

Poß sagte in einem dpa-Gespräch, mit dem angekündigten Rückzug von Müntefering habe sich die gesamte engere SPD-Führung in Frage gestellt. «Eine völlige Neuaufstellung ist sofort überfällig.» Poß, der dem Parteivorstand angehört, zeigte sich empört über führende Parteifreunde, die nach Münteferings Bloßstellung durch die Nominierung der Parteilinken Andrea Nahles zur Generalsekretärin jetzt einfach zur Tagesordnung übergehen wollten.

Unter Hinweis auf die stellvertretende SPD-Chefin Ute Vogt und den thüringischen SPD-Vorsitzenden Christoph Matschie, die schon öffentlich über Nachfolger von Müntefering spekulierten, sagte Poß: «Solche Schönredner brauchen wir nicht.» Der gesamte Vorgang müsse sorgfältig aufgearbeitet werden. Bei der SPD-Basis herrsche wegen des Umgangs mit Müntefering «blanke Wut und pures Entsetzen».

Vogt, die im SPD-Vorstand für Nahles gestimmt hatte, sprach sich am Montagabend in mehreren Interviews für eine rasche Lösung der Personalfrage aus. Erneut nannte sie Platzeck und Beck als Kandidaten für den Parteivorsitz.

Der designierte niedersächsische SPD-Chef Garrelt Duin sagte der dpa, Platzeck habe «etwas Dynamisches, Unverbrauchtes, das können wir jetzt gut gebrauchen». Im Gespräch sei aber auch Beck. Er gehe davon aus, dass Müntefering auch nach seinem angekündigten Rückzug als SPD-Chef als Vizekanzler und Arbeitsminister zur Verfügung stehe. Nun gehe es darum, den Schaden für die SPD zu begrenzen, sagte Duin, der Mitglied des SPD-Vorstandes ist.

Der Sprecher der ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten, Stephan Hilsberg, sagte der in Dresden erscheinenden «Sächsischen Zeitung»: «Wenn Platzeck will, ist das jetzt seine Stunde.» Aber auch die Idee, dass Beck neuer Parteivorsitzender werde, sei «eine brauchbare Variante».

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) sieht die große Koalition nach dem angekündigten Rückzug von Müntefering in Gefahr. «Das ist mehr als bedenklich», sagte er in einem dpa-Gespräch. Das Chaos könne derzeit «nicht größer» sein. Zöller warnte vor einem Linksruck bei den Sozialdemokraten. «Angenommen, die SPD würde noch mehr linke Forderungen stellen, sehe ich alles in Gefahr.» (tso/dpa)

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