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SPD: Vorwärts auf altem Kurs?

Die SPD wird sich inhaltlich neu aufstellen. Die Linke fürchtet eine Rückkehr zur Agendapolitik – die Union sorgt sich um Stabilität der großen Koalition.

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Berlin - Nach links oder zur Mitte? Mit der Linkspartei oder gegen die Linkspartei? Mit diesen zwei entscheidenden Fragen werden die neuen Spitzen der SPD, Franz Müntefering als künftiger Parteichef und Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat, in den kommenden Tagen und Wochen sicherlich besonders heftig konfrontiert. Denn das Aufbegehren des linken Flügels in der Partei hat jüngst das Führungsdefizit klar aufgezeigt. Und solange die Antwort über eine wie auch immer geartete Kooperation der SPD mit der Linkspartei in Hessen noch aussteht, werden die politischen Gegner der neuen Parteiführung auch immer ein mögliches Paktieren mit den Linken im Bund unterstellen. Außerdem war es der Schlingerkurs von Kurt Beck in dieser Frage, der ihn letztlich mit aus der Bahn getragen hat.

Das „Problem mit der Linkspartei“ sei mit dem personellen Neuanfang jedenfalls nicht gelöst, ließ sich CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla noch am Abend vernehmen. Und CSU-Chef Erwin Huber verlangte von dem frisch Gekürten einen klaren Kurswechsel. „Wenn Steinmeier sich jetzt zum Kanzlerkandidaten küren lässt, muss er als Erstes die geplante Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei in Hessen verhindern“, forderte er.

Dabei hat Steinmeier aus seiner Ablehnung der Linkspartei nie ein Hehl gemacht: Als Außenminister reagierte er besonders sensibel auf die Ablehnung von Auslandsengagements der Bundeswehr in den internationalen Krisenherden und auf die kritische Haltung der Linkspartei zur Nato. Aber auch des Populismus in innenpolitischen Fragen hat Steinmeier die Linkspartei immer wieder bezichtigt.

Der Union war Steinmeiers Positionierung bisher dennoch zu vage. „Die Zeit des Wegduckens“ sei für den Vizekanzler nun vorbei, ließ sich CDU-Vize Christian Wulff am Sonntag vernehmen. Und Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein bezeichnete den Kandidaten auch wegen seiner inhaltlichen Zurückhaltung als „völlig ungeeignet“ zur Führung der SPD und zur Gestaltung der kritischen innenpolitischen Herausforderungen. „Da, wo es innenpolitisch brennt, ist Herr Steinmeier leider vollkommen abgetaucht“, sagte er. Man habe „den Eindruck, der sucht sich auch noch den letzten und entferntesten Winkel der Welt aus, um ihn als Außenminister zu besuchen, nur damit ihm die klare Positionierung in der Innen- und Parteipolitik erspart bleibt und niemand in der SPD mitkriegt, für oder gegen was ein Herr Steinmeier eigentlich ist“.

Für die Linkspartei hingegen gilt als festgelegt – und zwar in der falschen Richtung. Als Kanzleramtschef und rechte Hand von Reformkanzler Gerhard Schröder, der die Agenda-Politik entscheidend mitgeprägt hat, steht Steinmeier genauso wie Franz Müntefering für sie im Verdacht, an dem ungeliebten Reformwerk festhalten und es möglicherweise zu Lasten sozial Schwacher noch ausbauen zu wollen. „Das ist ein schlechter Tag für Arbeitnehmer und Rentner“, kommentierte Linksparteichef Oskar Lafontaine die Personalien. Steinmeier stehe für die Agenda 2010, Müntefering für die Rente mit 67. Mit der Personalentscheidung setze die SPD „ihren unsozialen Kurs fort, der zu Wahlniederlagen und Mitgliederschwund geführt hat“.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger traut dem SPD- Kanzlerkandidaten auch keine Versöhnung der zerstrittenen SPD-Flügel zu. Steinmeiers Problem werde es sein, die SPD „auf eine Linie“ zu bekommen, die nach vorne führe, sagte er. Die „tiefe inhaltliche Zerrissenheit“ der SPD werde nun nur noch verstärkt, prophezeit auch CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer. Steinmeier sei „der Macher der Agenda 2010, das wird ihm der linke Parteiflügel auch als Kanzlerkandidat nicht verzeihen.“ Und wie bestellt, warnte der Parteinachwuchs die neue Doppelspitze sogleich vor dem alten Kurs. Eine „reine Fortführung der Agendapolitik“ durch Müntefering und Steinmeier würde an der Parteibasis fatale Auswirkungen haben, warnte Juso-Chefin Franziska Drohsel. Stattdessen müsse die SPD „den Fokus auf soziale Gerechtigkeit legen“.

Auf Unionsseite sorgt man sich unterdessen um die Stabilität der gemeinsamen Regierung. „Mich interessiert jetzt vor allem, ob Steinmeier noch zur großen Koalition steht und zu den Projekten, die wir gemeinsam noch erledigen wollen, oder ob er ab sofort zum Wahlkampf bläst“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU).

Bei aller Kritik am Vizekanzler – schlussfolgern, dass die Union wegen ihrer Unzufriedenheit mit der SPD die Koalition im Bund noch vor der nächsten Wahl aufzukündigen erwäge, dürfe man bitteschön nicht, stellte auch Beckstein klar. Schließlich wolle man der Linkspartei die Bedeutung, das Ende der Koalition herbeigeführt zu haben, nicht geben. Außerdem seien Neuwahlen ohne große Verrenkungen gar nicht möglich. „Ich fordere die SPD auf, sich endlich von der Linken abzugrenzen, wieder eindeutig Profil zu zeigen und nicht mehr den Linken hinterherzurennen“, drängt Bayerns Ministerpräsident. Die SPD müsse „dafür sorgen, dass wir das für Deutschland Notwendige noch in der großen Koalition erledigen können“.

Innerhalb der SPD lösten die Personalentscheidungen vom Sonntag völlig unterschiedliche Reaktionen aus. Für Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), selbst kurzzeitig einmal Bundesvorsitzender seiner Partei, ist die SPD jetzt auf dem Weg aus ihrer Krise. „Wir haben jetzt ein Duo an der Spitze, das Geschlossenheit herstellt und Kampfeslust weckt“, sagte Platzeck dem Tagesspiegel. Sein Respekt gelte Beck, der die Partei – nach seinem eigenen Rücktritt als SPD-Chef – in einer „schwierigen Zeit“ übernommen und ihr eine „tragfähige programmatische Grundlage gegeben“ habe. Der Mainzer Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD) kommentierte indes den überraschenden Rücktritt Becks mit harschen Worten: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte angesichts dieser Berliner Politgeisterbahn.“

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