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Thüringens SPD-Chef Andreas Bausewein bei der Bekanntgabe des Ergebnisses.

© dpa

SPD-Votum zu Rot-Rot-Grün in Thüringen: Warten auf ein Lichtlein

Die SPD in Thüringen geht ein hohes Risiko ein. Angesichts von nur einer Stimme Mehrheit ist nicht garantiert, dass Bodo Ramelow zum ersten Ministerpräsidenten der Linken gewählt wird.

Von Hans Monath

Es ist ein Zusammentreffen von hoher symbolischer Bedeutung: Ausgerechnet am 25. Jahrestag der Alexanderplatz-Demonstration vom 4. November 1989 hat die SPD in Thüringen am Montag den Weg frei gemacht für die Wahl des ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei in Deutschland.

Die größte nicht staatliche Demonstration der DDR war ein Meilenstein der friedlichen Revolution, kurz danach fiel die Mauer. Die Bildung einer Drei-Parteien-Koalition unter Führung des Linken-Politikers Bodo Ramelow könnte auch eine Art Meilenstein in der Geschichte der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung werden – freilich einer, an dem viele Anstoß nehmen.

Wie tief das Misstrauen in Bezug auf die demokratische Läuterung der Nachfolgepartei der SED sitzt, hat die Kritik des Bundespräsidenten gezeigt, die aus einer regionalen Entscheidung eine Haupt- und Staatsaktion machte. Nicht nur Opfer des DDR-Staatsapparats empfinden die erste Regierungsübernahme durch die Linkspartei als Tabubruch – doch ein Ende der Demokratie würde Ramelows Wahl nicht bedeuten.

Die Zweifel, die Gauck umtreiben, haben die SPD-Mitglieder in Thüringen mit großer Mehrheit beiseitegeschoben: Knapp 70 Prozent Ja-Stimmen bei sehr hoher Wahlbeteiligung sind ein klares Votum der Basis, das Wagnis einzugehen.

SPD geht ein hohes Risiko ein

Denn den Sozialdemokraten im Land und im Bund ist bewusst, welch hohes Risiko sie auf sich nehmen: Wer sich als Juniorpartner der Linkspartei andient, gibt den Führungsanspruch im linken Lager auf – womöglich nicht nur in Thüringen, sondern auch in weiteren der neuen Länder. Doch mit einem Wahlergebnis von gerade 12 Prozent und der Aussicht auf weitere Demütigungen durch eine weiterregierende CDU erschien das neue Experiment als das kleinere Übel.

Es war auch ein Tabubruch, als sich Mitte der 90er Jahre in Sachsen-Anhalt erstmals ein SPD-Regierungschef von der damaligen PDS tolerieren ließ und wenige Jahre später in Mecklenburg-Vorpommern die erste faktische rot-rote Koalition ihre Arbeit aufnahm. Zwanzig Jahre später sind Regierungsbeteiligungen der Linkspartei auf Landesebene im Osten längst demokratische Normalität. Sie haben die Linkspartei mehr verändert als die von ihnen regierten Länder.

Angesichts der Mehrheit von nur einer Stimme für Rot-Rot-Grün ist keineswegs garantiert, dass Ramelow auch gewählt wird. Kommt er ins Amt, steht er von Anfang an unter verschärfter Beobachtung: Er ist dann zum Erfolg verdammt, weil er beweisen muss, dass ein Linker eine Regierung führen kann. Die Vorbehalte ausräumen kann er nur, wenn er die gemeinsame Erklärung der drei Partner zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit mit Leben füllt und den versprochenen Dialog mit den Opfern aufnimmt. Gelingt ihm auch das, könnte die erste deutsche Regierung unter Führung der Linkspartei den Abschied von der DDR auf dialektische Weise sogar beschleunigen.

Wie schwer das wird, zeigt das Sperrfeuer prominenter Bundespolitiker der Linkspartei gegen den Begriff Unrechtsstaat DDR, zu dem sich der Thüringer Westimport Ramelow bekennt. Der neue SPD-Landeschef Andreas Bausewein hatte vor dem Basisvotum auf das Risiko hingewiesen, dass niemand Erfahrung hat mit einer Regierung unter Führung der Linkspartei. Deshalb werde die SPD „mit verschlossenen Augen einen dunklen Raum betreten“, sagte er voraus. Dort sitzt sie nun und muss hoffen, dass von irgendwoher ein Lichtlein kommt.

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