zum Hauptinhalt

Politik: Spenden, aber richtig

Von Antje Vollmer

Richard Schröder hat diesmal ein besonders heißes Eisen angepackt: das weltweite Geschäft mit dem Mitgefühl und der Menschenfreundlichkeit. Kenner der Szene sehen schon lange mit wachsendem Unbehagen, dass hier einiges an Maßstäben verrutscht. Es ist deswegen gut und notwendig, darüber zu diskutieren, was alles auf diesem Markt des sozialen Engagements passiert und wie wir Aufklärung darüber schaffen können, wohin unsere Spendengelder wandern.

Erstaunlich ist es keineswegs, dass die Globalisierung auch hier neue Felder eröffnet hat, das Recht des Stärkeren durchzusetzen. Hilfsorganisationen folgen in der Regel den großen Medienkampagnen, die uns erklären, an welchem Platz der Erde gerade ein Weltproblem entstanden ist. Als Profis der sozialen Tätigkeiten versprechen sie Hilfe, wenn wir ihnen Spendengelder zukommen lassen. Manche dieser Organisationen sind längst vor Ort, bevor der Spot des großen Weltinteresses zufällig auf diese Gegend fällt. Das ist und bleibt die beste Methode, weil das Engagement seriös ist und eigenen Untersuchungen der Hilfsbedürftigkeit der Menschen folgt. Andere Organisationen springen blitzschnell auf die aktuelle Weltaufmerksamkeit auf. Da gibt es dann einen heftigen Konkurrenzkampf um die Spendengelder der augenblicklichen Kampagne. Dass dieses nicht problemfrei ist, lässt sich schnell begreifen. So waren auf dem Höhepunkt der Kosovo-Krise ungefähr 500 Hilfsorganisationen auf engstem Raum engagiert. Probleme, die dabei entstehen können, sind mangelnde Koordination, Konkurrenz um die Hilfsbedürftigen, Verzerrung der Maßstäbe. Ein schlechtes Ergebnis dabei kann sein, dass die Intelligentesten aus dem betreffenden Land lieber bei ausländischen Hilfsorganisationen relativ gut bezahlte Jobs annehmen, als in den eigenen staatlichen Strukturen zu arbeiten.

Noch problematischer aber ist, wenn mit einer gezielten Medienaktion der Focus nach vorwiegend eigenen Bedürfnissen auf diese oder jene Region der Welt gelenkt wird. Auch das gezielte Diffamieren von anderen Organisationen mit dem Vorwand, sie seien „extrem bürokratisch“, würden alles Geld in die Verwaltungen stecken, während man selbst immer nur „selbstlos“ alles Geld den Hilfsbedürftigen zukommen ließe, gehört zu diesen Methoden eines verstärkten Verdrängungswettbewerbs.

Was kann man tun, um einem solchen möglichen Missbrauch guter Absichten entgegenzutreten? Auf jeden Fall soll niemand sich dadurch berechtigt fühlen, nicht mehr für gute Zwecke zu spenden. Die Not der Welt ist groß genug, und es gibt genügend seriöse Organisationen der Nächstenhilfe, die sich zu unterstützen lohnt. Aber auch der Spender muss sich informieren über die Seriosität von Hilfsorganisationen. Er muss lernen, mit medialen Blitzkampagnen, die ihn überrumpeln wollen, kritisch umzugehen. Und manchmal möge er doch bitte auch sich selbst prüfen: langfristiges Engagement und Treue ist auch in diesem Fall besser als kurzfristig auf jede Mediensensation und jedes Event aufzuspringen, die mit der immer gleichen Mischung aus Elend, Gewalt und Emotion arbeiten.

Die Autorin ist Vizepräsidentin des Bundestags und Grüne. Sie schreibt diese Kolumne im Wechsel mit Richard Schröder und Wolfgang Schäuble.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false