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Politik: Spendenskandal vor Parlamentswahl in Estland

Russische Gelder für Oppositionskandidaten stärken die amtierende rechts-liberale Regierung

Mit dem Versprechen, die Renten zu erhöhen und für mehr Verständnis für die russischsprachige Bevölkerung zu werben, versucht die oppositionelle Zentrumspartei in Estland die dienstälteste Regierung des Baltikums zu stürzen. Doch der rechts-liberale Premierminister Ansip hält sich trotz harter Sparmaßnahmen und hoher Arbeitslosigkeit.

Fernsehdebatten und Wahlspots auf allen Kanälen: Die regierende Reformpartei wirbt selbst im russischen „Ersten Baltischen Kanal“ für Aufschwung und höhere Löhne durch strenge Budgetdisziplin. Solche Wahlpropaganda bringt Enn Eesmaa zum Kopfschütteln. Der Vizevorsitzende der oppositionellen Zentrumspartei erläutert im Fraktionsbüro des estnischen Parlaments, Riigikogu, die schwierige soziale Lage einer Mehrheit der 1,3 Millionen Esten. 60 Prozent der Bevölkerung würden nur von einem Monat zum nächsten überleben. Der Erfolg der IT- und High-Tech-Nation Estland habe seine Schattenseiten. Hohe Arbeitslosigkeit, tiefe Löhne und Renten seien Estlands Hauptprobleme. „Deshalb lautet unser Motto – Aitab! Es reicht!“, sagt Esmaa, dessen Partei Rentenerhöhungen von 35 Euro im Monat verspricht. Finanziert werden soll dies über Steuererhöhungen und eine Abkehr von der bisher in Estland so erfolgreichen Flat Tax.

Mit populistischen Forderungen versucht die Zentrumspartei in Estland bereits seit Jahren die Politik aufzumischen. Zuerst war das „Zentrum“ eher gegen den EU-Beitritt, dann diente sich Parteichef Edgar Savisaar der heute sozial benachteiligten russischsprachigen Bevölkerung an. Nach der sowjetischen Besatzungszeit ist deren Anteil von 10 auf 30 Prozent hochgeklettert. Nun aber scheint die einstige Führungsfigur der Unabhängigkeitsbewegung den Bogen überspannt zu haben. Laut dem estnischen Geheimdienst hat Savisaar als Bürgermeister der Hauptstadt Tallinn, in der jeder dritte Este wohnt, nicht nur eine verdächtig hohe Spende des Chefs der Russischen Eisenbahnen für den Bau einer riesigen orthodoxen Kirche, sondern auch 1,5 Millionen Euro für seine Wahlkampfkasse angenommen. Savisaar bestreitet den Vorfall vehement. Doch der von der Tageszeitung „Posttimees“ aufgedeckte Parteispendenskandal beschäftigt Estland seit Wochen.

„Es ist durchaus möglich, dass Russland unser Land destabilisieren will“, sagt Zentrums-Vize Eesma. Savisaar sollte sich vor Gericht reinwaschen, sagt er und geht damit auf Distanz zu seinem Parteichef.

Der Skandal hat das „Zentrum“ isoliert. „Eine Koalition mit den Grünen ist unmöglich“, sagt der Abgeordnete Aleksei Lotman. Die Grünen würden eher wie bisher eine Minderheitsregierung unter Ansip unterstützen. „Eine geringe Staatsverschuldung ist auch gut für die Natur“, argumentiert Lotman. Die rechte Fraktion Pro Patria-Res Publika (IRL) hat sich bereits für eine Fortführung der Regierungskoalition ausgesprochen. Laut letzten Umfragen sind sowohl „Zentrum“ als auch „Reform“ im Februar eingebrochen. Viele Esten setzen demnach auf kleinere Parteien wie die Sozialdemokraten, die rechte IRL oder unabhängige Kandidaten, die teils auf der Grünen Liste kandidieren. Ein Viertel der Wähler ist wenige Tage vor der Wahl noch unentschieden.

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