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Spiegel-Nachfolgerin: Knobloch neue Präsidentin des Zentralrats der Juden

Die 73 Jahre alte Charlotte Knobloch ist zur neuen Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland gewählt worden.

Frankfurt/Main - Die neue Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, will den Dialog mit den christlichen Kirchen fortsetzen und auch den Islam einbinden. Die 73-jährige bisherige Vizepräsidentin wurde am Mittwoch in Frankfurt/Main als erste Frau an die Spitze des Zentralrats gewählt. Das Votum des Präsidiums fiel einstimmig aus. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern ist Nachfolgerin des Ende April gestorbenen Paul Spiegel.

Knobloch hatte keinen Gegenkandidaten. Sie selbst hatte sich nach Angaben des Zentralrats der Stimme enthalten. Neuer Vizepräsident des Gremiums wurde der Frankfurter Dieter Graumann. Salomon Korn (63), Leiter der jüdischen Gemeinde in Frankfurt, bleibt ebenfalls Vizepräsident. Bundespräsident Horst Köhler gratulierte Knobloch in einem Schreiben: «Sie übernehmen eine in unserem Land schwierige und zugleich besonders wichtige Aufgabe.» Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bot Knobloch eine «gute Zusammenarbeit» an. Die großen Kirchen in Deutschland begrüßten die Wahl Knoblochs.

Die neue Zentralrats-Präsidentin forderte die Bundesregierung auf, dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad entgegenzutreten, der mit antisemitischen Äußerungen weltweit für Empörung gesorgt hatte. Sie warf der Regierung vor, aus wirtschaftlichen Rücksichten nicht deutlich genug Stellung zu beziehen. Vizepräsident Graumann, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, sagte, die deutsche Regierung «hätte den Eiertanz unterlassen» und klar sagen sollen, dass der iranische Präsident in Deutschland nicht erwünscht sei.

Die neue Führung des Zentralrats ist formal nur bis November im Amt. Dann läuft laut Satzung die Amtsperiode aus und Präsident, sowie die beiden Vizepräsidenten müssen erneut gewählt werden. Korn sagte, er gehe davon aus, dass das neue Präsidium dann «in etwa der Zusammensetzung des alten entspricht».

Vizepräsident Korn, der vor der Wahl als weiterer möglicher Kandidat für das Präsidentenamt gehandelt worden war, wollte nichts zu den Motiven sagen, warum er nicht antrat. Der 63 Jahre alte Architekt hob hervor, dass es im Präsidium eine Kontinuität der Arbeit geben werde. Die von Spiegel eingeleitete Aufteilung der Verantwortlichkeiten im Präsidium habe sich bewährt. Spiegel sei stets «primus inter pares» (erster unter gleichen) gewesen. Er sei sicher, dass die neue Präsidentin Knobloch eine «prima inter pares» (erste unter gleichen) sein werde.

Knobloch betonte, es sei wichtig für das jüdische Leben in Deutschland, die zugewanderten Juden aus der ehemaligen Sowjetunion zu integrieren. Es komme darauf an, dass diese Menschen all ihre Fähigkeiten in das Gemeindeleben einbringen. Die Juden in Deutschland sähen sich als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft, «auch wenn wir noch weit davon entfernt sind, von Normalität zu sprechen». Durch die Zuwanderung wachse das jüdische Leben in Deutschland. Viele der rund 100 jüdischen Gemeinden hätten schon fast wieder die Mitgliederzahl aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus erreicht.

Regierungssprecher Thomas Steg würdigte im Namen Merkels das bisherige «aktive und unermüdliche Engagement» Knoblochs, die dazu beigetragen habe, dass sich das «jüdische Leben auf eine breitere Grundlage» entfalten könne. Steg kündigte an, dass Merkel noch schriftlich gratulieren werde.

SPD-Chef Kurt Beck erklärte zur Wahl Knoblochs, der Kampf gegen jede Form von Antisemitismus, Rechtsradikalismus und fremdenfeindliche Gewalt müsse Aufgabe aller Demokraten sein. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle betonte, die FDP wolle das Bemühen des Zentralrats um Toleranz im Inneren und Völkerverständigung weltweit unterstützen.

«Charlotte Knobloch hat sich in großartiger Weise für eine Kultur des Respekts und des Dialogs in unserem Land eingesetzt», sagte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gratulierte in einem Schreiben an Knobloch «herzlich». Claudia Roth und Reinhard Bütikofer, Vorsitzende der Grünen, wünschten ihr «Hartnäckigkeit, Klarheit, Kraft und viel Erfolg».

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, erklärte, er freue sich auf die Fortführung der guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit der vergangenen Jahre.

Knobloch bringe für die neue Aufgabe eine beeindruckende Lebenserfahrung mit, schrieb der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber. (tso/dpa)

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