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Politik: Spiel mit der Angst

Ruandas Staatschef Kagame gilt als Favorit bei der Präsidentenwahl. Die Opposition wirft ihm Einschüchterung vor

RUANDA HAT GEWÄHLT

Von Christoph Link, Nairobi

Vor drei Jahren hat das Parlament Paul Kagame zum Staatschef gewählt, am Montag ließ Kagame von der Ethnie der Tutsi erstmals geheime Präsidentenwahlen abhalten. Alle Beobachter sagten dem 46-Jährigen einen hohen Sieg voraus. Eine hohe Wahlbeteiligung zeichnete sich ab – bis Montagmittag haben nach Angaben der Wahlkommission fast 80 Prozent der Wähler ihre Stimme abgegeben. Der Chef der Kommission, Chrysologue Karangwa, sagte, die Wahl sei in einem „Klima der Sicherheit“ verlaufen. Es habe lediglich „zwei oder drei“ Zwischenfälle gegeben, die von der Polizei geregelt worden seien. Internationale Beobachter bestätigen das.

Dennoch kann von fairen Wahlen nicht die Rede sein. Die Opposition unter dem Hutu und ehemaligen Premier Faustin Twagiramungu klagte über Verhaftungen von Parteimitgliedern, Einschüchterungen und die Beschlagnahme von in Uganda gedrucktem Wahlmaterial. Reporter im Lande berichten, dass die Porträts von Kagame überall präsent gewesen seien, und voll spielte die regierende Ruandische Patriotische Front (RPF) die Möglichkeiten des Staatsapparats und der Medien zugunsten des Amtsinhabers aus. Kagame tourte durchs ganze Land und sprach vor den Massen, doch von Wahlaktivitäten der Opposition war nicht viel zu bemerken. „Man kann nicht von einer demokratischen Wahl im klassischen Sinne sprechen. Denn dafür benötigt man eine Opposition und die gibt es hier nicht“, meint Nellie Maes, Wahlbeobachterin aus Belgien.

Beide Kontrahenten – der Tutsi Kagame und der Hutu Twagiramungu – zählen sich zur Klasse der Opfer des Völkermordes von 1994, als ein angestachelter Mob von Hutu innerhalb von 100 Tagen schätzungsweise 800 000 Tutsi und politisch gemäßigte Hutu niedermetzelte. Rebellenchef Kagame war es, der mit seiner Armee von Uganda aus einmarschierte und dem Völkermord ein Ende machte. Aber auch der heute 60-jährige Twagiramungu stand auf der Todesliste der Hutu-Schwadronen und konnte nur mit knapper Not aus dem Lande entkommen. Als der Spuk vorüber war, fanden sich Kagame und Twagiramungu in einer Regierung wieder, doch rasch wurde der Hutu vom starken Mann Ruandas ins belgische Exil genötigt, aus dem er erst vor zwei Monaten nach Ruanda zurückkehrte.

Mit seiner Kritik an der „harten Diktatur“ zielt Twagiramungu auf die empfindlichen Nerven des Regimes von Kagame, dessen Tutsi-Regierung ein Volk regiert, das zu 85 Prozent aus der bäuerlichen Ethnie der Hutu und nur zu 14 Prozent aus dem früheren Hirtenvolk der Tutsi besteht. Während Kagame ständig das Wort von der „einen“ Nation führt, hält Twagiramungu dagegen: „Der Völkermord in Ruanda bedeutete nicht, dass nur Tutsi getötet worden sind“, sagt er. Und fügt hinzu: „Sollen wir etwa die Wörter Tutsi und Hutu aus dem Wortschatz der Ruander streichen?"

Im Kampf gegen das „Spaltertum der Nation“ sieht hingegen Kagame ein Heilmittel für das geschundene Ruanda, dessen Politik seit den 50er-Jahren vom Gegensatz der Hutu und Tutsi bestimmt wird. Der Berufsmilitär, Vater von vier Kindern, besticht westliche Besucher oft durch sein Erscheinungsbild: ein schlanker, hoch gewachsener Mann, stets mit feiner Goldbrille. Kagame hat es geschafft, das Wohlwollen von Internationalem Währungsfonds und Weltbank zu erhalten. Im Wahlkampf sprach der das Phänomen der Angst im Lande an. „Ich glaube, die Kultur der Angst wird allmählich abgebaut durch die Demokratie und unsere neue Verfassung.“ Doch ein Bericht von Amnesty International bezeichnet gerade Ruandas Regierung als Motor der Angst.

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