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Politik: Spion mit Heimweh

Türke kundschaftete für DDR – nun wehrt er sich gegen US-Haft

Der Kalte Krieg ist längst vorbei, und selbst Stasi-Spionagechef Markus Wolf schreibt in Freiheit seine Bücher – doch ein DDR-Spion sitzt 14 Jahre nach dem Mauerfall noch immer draußen in der Kälte. Der türkische Automechaniker Hüseyin Yildirim spionierte in der amerikanischen Radarabhörstation auf dem Berliner Teufelsberg für die DDR und bekam dafür in den USA „lebenslänglich“. Obwohl es Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit seiner Verurteilung gibt, sitzt der „Meister" – so sein Deckname – noch immer in Amerika hinter Gittern. Nun ist der 76-Jährige todkrank und hat nur noch den Wunsch: in der Türkei zu sterben.

Hüseyin Yildirims ehrenamtlicher Anwalt in den USA kämpft gegen die Zeit, um den letzten DDR-Spion aus der Kälte zu holen. Der Türke kam in den 60er Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland und brachte es als Automechaniker bis zum Meister – ein Titel, der ihm später zum Verhängnis wurde. Anstellung fand er auf dem Teufelsberg, von wo aus die Amerikaner den Warschauer Pakt belauschten. 1979 von der DDR-Staatssicherheit rekrutiert, gelang es Yildirim, einen käuflichen US-Offizier namens James Hall umzudrehen.

Der „Meister" wurde von der Stasi gut bezahlt, und er war es wert: Durch ihn wusste die DDR-Gegenspionage stets, was auf der Abhörstation getrieben wurde. Geschnappt wurde Yildirim, als er sich 1988 in den USA mit Hall traf. Normalerweise wäre er bald gegen einen US-Spion ausgetauscht worden – doch dann fiel die Mauer, und der türkische Spion blieb in der Kälte sitzen.

Während der landesverräterische US-Offizier Hall mit 40 Jahren und Bewährungsaussicht davonkam, wurde der türkische Mittelsmann zu lebenslanger Haft ohne Bewährung verurteilt. Wegen seines Decknamens glaubten die Richter, einen Meisterspion vor sich zu haben. In dem Prozess wurden weder Entlastungszeugen noch der Angeklagte selbst angehört. Der US-Anwalt James Nichols ist überzeugt, dass Yildirims Pflichtverteidiger versagte. Deswegen kämpft Nichols seit acht Jahren ehrenamtlich für die Freilassung des türkischen DDR-Spions.

Auch Markus Wolf und die türkische Regierung setzten sich für Yildirim ein, doch alle Gnadengesuche blieben erfolglos. Erst in diesem Frühjahr signalisierte die US-Regierung schließlich, dass sie einer Überstellung an die Türkei zustimmen könnte. Anwalt Nichols reiste sofort nach Ankara, wo er grünes Licht bekam, doch inzwischen wurde Yildirim krank; vor wenigen Tagen wurde er in eine Gefängnisklinik verlegt. Yildirim lebe jetzt nur noch dafür, in die Türkei zurückzukehren und in der Heimat zu sterben, sagte Nichols einer türkischen Zeitung. Der Anwalt will ihm das unbedingt ermöglichen, doch vielleicht ist es schon zu spät – und der Türke, der für die DDR spionierte, muss in der Kälte sterben.

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