zum Hauptinhalt
Grünen-Politiker Volker Beck.

© Mike Wolff

Spione der Türkei: Volker Beck wirft Behörden Untätigkeit gegen Ditib-Spione vor

Der Grünen-Politiker Volker Beck wirft deutschen Behörden Untätigkeit vor, Die Bundesregierung findet seinen Verfolgungseifer für einen Grünen „bemerkenswert“.

Von Frank Jansen

Volker Beck scheut sich nicht, seinen Ärger drastisch zu äußern. „Die Sache stinkt zum Himmel“, regt sich der Bundestagsabgeordnete der Grünen auf, „das grenzt an Strafvereitelung im Amt.“ Beck ist wütend, weil seiner Meinung nach die Bundesbehörden nicht mit der nötigen Energie die Affäre um spionierende Imame der Ditib aufklären. Der Dachverband von mehr als 930 türkischen Moscheen in Deutschland ist seit Monaten im Gerede, da Geistliche im Auftrag der türkischen Regierung Spitzelberichte erstellt haben sollen.

Ausspioniert wurden offenbar mutmaßliche Anhänger des Predigers Fethullah Gülen. Er wird von Staatschef Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch im Juli verantwortlich gemacht. Nach Informationen des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen sollen mindestens 13 Imame insgesamt 33 Personen und elf Institutionen, die angeblich Gülen zuzurechnen sind, der türkischen staatlichen Religionsbehörde Diyanet gemeldet haben. Diyanet ist Ditib übergeordnet.

Beck und die Fraktion der Grünen haben nun der Bundesregierung erneut eine umfangreiche Kleine Anfrage zu geheimdienstlichen Aktivitäten von Ditib und Diyanet geschickt. Die Antwort steht noch aus. Ein Blick auf das, was sich bisher abgespielt hat, zeigt allerdings, dass sich die deutschen Behörden schwertun.

Einen ersten Verdacht auf die Ausforschung von Gülen-Anhängern durch Ditib-Leute gab es offenbar schon bald nach dem Putschversuch vom 15. Juli. Es seien damals „bei Bundesbehörden Einzelhinweise“ eingegangen, teilt Emily Haber, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, im März Beck und der Grünen-Fraktion mit. Dass Diyanet am 20. September eine Weisung erteilte, die Ditib-Imame sollten Spitzelberichte den türkischen Generalkonsulaten zuleiten, damit sie zu Diyanet in Ankara übermittelt werden, erfuhr die Bundesregierung laut Haber erst am 8. Dezember aus den Medien.

Volker Becks Auseinandersetzung mit dem Generalbundesanwalt

Am 15. Dezember schickte Beck eine Kopie der Spionageanweisung von Diyanet, die dem Abgeordneten zugespielt wurde, an Generalbundesanwalt Peter Frank. Das Papier der türkischen Behörde ist von einem „Professor Dr. Halife Keskin“ unterzeichnet. Beck stellte Strafanzeige wegen geheimdienstlicher Tätigkeit, allerdings gegen unbekannt. Der Generalbundesanwalt legte einen Beobachtungsvorgang an. Mehrere Behörden wurden informiert, darunter das Bundesamt für Verfassungsschutz. Es sendete Frank am 18. Januar seine Bewertung, am selben Tag leitete der Generalbundesanwalt ein Verfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit ein – nicht gegen Keskin, sondern gegen unbekannt.

Unterdessen hatte Ditib erst die Vorwürfe bestritten, dann behauptete Generalsekretär Bekir Alboga, der Anweisung von Diyanet seien „einige wenige Ditib-Imame fälschlicherweise“ gefolgt.

Hinter einer Moschee in Duisburg-Marxloh geht die Sonne unter.
Hinter einer Moschee in Duisburg-Marxloh geht die Sonne unter.

© Roland Weihrauch/dpa

Der Generalbundesanwalt kam mit den Ermittlungen voran und beantragte im Januar Haftbefehle gegen sechs beschuldigte Imame. Doch eine Richterin am Bundesgerichtshof lehnte ab. Es reiche nicht für einen dringenden Tatverdacht.

Beck selbst drängte im Februar mit E-Mails den Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt, den mutmaßlichen Auftraggeber der Spionage, Diyanet-Funktionär Halife Keskin, wenigstens als Zeugen zu vernehmen. Keskin ist nach Becks Informationen in Köln und im Ruhrgebiet unterwegs. Doch die Mail wurde beim Generalbundesanwalt gelöscht – versehentlich, sagt Frank. In der Bundesanwaltschaft heißt es, Keskin hätte allerdings auch gar nicht aussagen müssen, um sich nicht selbst zu belasten. Im März leitete Frank dann anhand neuer Erkenntnisse ein Verfahren gegen Keskin ein. Der ist jedoch offenkundig weg.

Im Februar versuchte Beck wieder, den Generalbundesanwalt sowie Polizei und Staatsanwaltschaft in Oberhausen zu animieren, den dort auftretenden türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim zu vernehmen. Ihm ist Diyanet unterstellt. Doch der Politiker genießt Immunität, die Behörden tasten ihn nicht an.

Es ist jedoch nicht so, dass Exekutivmaßnahmen unterbleiben. Der Generalbundesanwalt ließ am 15. Februar in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen die Wohnungen von vier Ditib-Imamen durchsuchen. Wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit. Festgenommen wurde niemand. Vermutlich sind Imame, die spioniert haben, inzwischen in der Türkei.

Beck hält der Bundesregierung vor, sie verhalte sich in der Ditib-Affäre „beispiellos dilettantisch“. Im Umfeld der Regierung ist zu hören, Becks Verfolgungseifer sei für einen Grünen „bemerkenswert“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false