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Politik: Spitzenreiter, Außenseiter

Steht Gregor Gysi vor einem Comeback? Der frühere Chef der PDS lässt das offen – und verärgert seine Genossen

Von Matthias Meisner

Der Sonderparteitag war gelaufen, die PDS hatte sich gerade ein wenig berappelt, da fing ausgerechnet Florian Havemann zu stänkern an. Der Sohn des DDR-Bürgerrechtlers Robert Havemann, bei der letzten Bundestagswahl 2002 Spitzenkandidat der PDS in Sachsen, nahm sich des Themas Gregor Gysi an. Jenes des im Hintergrund wirkenden Ex-Vorsitzenden also, der von der PDS nicht lassen kann, sich aber auch nicht wieder richtig einlassen will. Ausgerechnet der gelernte Rinderzüchter Gysi führe die „Kuh PDS“ aufs Glatteis, äußerte der parteilose Dramatiker und Brandenburger Verfassungsrichter Havemann, der am Parteitag Ende Juni in Berlin als Ehrengast teilgenommen hatte. Das „Hauptproblem“ der Partei „heißt Gregor Gysi“ wurde Havemann vom „Neuen Deutschland“ zitiert. „Erschütternd“ sei, wie wenig sich die Partei von Gysi emanzipiert habe, stellte Havemann zu dem umjubelten Auftritt Gysis auf dem Sonderparteitag fest. Er sprach vom „Erpressungspotenzial des Hungerstreik-Komitees“, das von Lothar Bisky und Gregor Gysi wieder erfolgreich eingesetzt worden sei. „Und die Partei hat es sich gefallen lassen“, fügte er hinzu. Pikant dabei: Ausgerechnet Gysi, zu DDR-Zeiten Anwalt von Robert Havemann, hatte 2002 die sächsische PDS bedrängt, Florian Havemann auf die Kandidatenliste zu nehmen.

Schon länger ärgern sich realpolitische Spitzenfunktionäre im Berliner Landesverband, dass Gysi nicht auf die PDS als Bühne verzichten wolle. Auch der PDS-Ehrenvorsitzende Hans Modrow ist nicht gut auf Gysi zu sprechen. „Gregor Gysi ist von gestern, er kann nicht mehr Träger des Banners sein“, sagte Modrow schon nach Gysis Rücktritt vom Amt des Berliner Wirtschaftssenators. Seitdem warnt Modrow immer wieder vor einem Gysi-Comeback. Seit Havemanns Äußerungen füllt die Debatte Leserbrief-Spalten des „Neuen Deutschlands“. Die brandenburgische Landtagsabgeordnete Kerstin Kaiser-Nicht nannte die Kritik Havemanns „absurd“: Der Parteitag habe „sachlich diskutiert und entschieden“. Siegfried Modrach aus Berlin ist gegen ein Amt für Gysi: „Er hat zu viel an Glaubwürdigkeit verloren und er hat sich gegenüber anders Denkenden in der Partei eine Sprache angewöhnt, die zu wenig integriert.“

Gysi selbst lässt sich von der Diskussion um seine Rolle kaum beeindrucken. Zu den Bitten des neuen Vorsitzenden Bisky, sich für eine Kandidatur bei der Bundestagswahl 2006 bereitzuhalten, legt er sich nicht fest. Mal deutet er eine Rückkehr in die Politik an, um im nächsten Interview wieder die Zweifel in den Vordergrund zu rücken. Ob er Entzugserscheinungen von der Politik habe, wie Bisky behauptet habe? In der Berliner „Tageszeitung“ erklärt Gysi auf diese Frage: „Erstaunlich wenig. Mich zieht nichts zurück in die Politik.“ Ohnehin habe die PDS an gesellschaftlichem Stellenwert verloren. „Sie strahlt politisch und kulturell nicht mehr aus, dass sie die gesellschaftlichen Veränderungen zur Kenntnis nimmt.“

Dass Gysi sich nicht festlegen lässt, stattdessen aber immer wieder mit Kritik an seiner Partei aufwartet, verstimmt inzwischen auch viele seiner Anhänger. „Es ist die Frage, ob er sich einen Gefallen damit tut, jahrelang herumzukokettieren“, sagt ein Genosse aus Sachsen. Er äußert die Befürchtung, dass Gysi leicht in eine Außenseiterrolle geraten könnte – vergleichbar mit der von Oskar Lafontaine in der SPD.

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