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Spontangipfel: Griechenland-Hilfe: Am Ende fehlt ein Wort

Am Freitag sollte im Bundestag eine breite Mehrheit der Griechenland-Hilfe zustimmen. Doch Koalition und Opposition können sich nicht einigen.

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Berlin - Am Donnerstagmorgen in der Sondersitzung der Unionsfraktion blinkt Angela Merkels Handy auf: SMS von Sigmar Gabriel. „Können wir noch mal reden?“ fragt der SPD-Chef bei der Kanzlerin an. Kurz darauf sitzen Merkel, Gabriel und FDP-Chef Guido Westerwelle im Zimmer von Unionsfraktionschef Volker Kauder im Reichstag, später kommt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dazu. Der Spontangipfel sucht einen Weg, damit am Freitag im Bundestag eine breite Mehrheit der Griechenland- Hilfe zustimmt. Das Problem ist nicht die Hilfe selbst. Es geht darum, Gesicht zu wahren. Und mit so finsterer Entschlossenheit, dass die FDP damit gedroht hat, die Regierung zu verlassen – und die SPD von eigenen Kompromissen nichts mehr wissen will.

Die Koalitionsfrage – Kauder macht es in der eigenen Fraktion öffentlich – haben die Liberalen am Dienstag in der Koalitionsrunde aufgeworfen. Merkel und die Union wollten der SPD notfalls entgegenkommen, damit die Sozialdemokraten die Verantwortung für die Milliarden mittragen. In eine gemeinsame Entschließung über die Zähmung der Finanzmärkte, sagt ein Unionsvertreter, „hätten wir alles Mögliche geschrieben“. Die FDP nicht. Wenn dort das Stichwort „Finanztransaktionssteuer“ stehe, drohte Fraktionschefin Birgit Homburger, sei es mit dem Bündnis aus. Einer neuen Steuer will die FDP nicht die Hand reichen – das sei eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Eine Frage der Glaubwürdigkeit ist umgekehrt genau diese Steuer auf Finanzgeschäfte für Gabriel und Steinmeier. Kurz vor der NRW-Wahl können sie keinen Gesichtsverlust brauchen. Der droht, denn der SPD-Chef ebenso wie sein Fraktionsvorsitzender haben die Zustimmung der SPD-Abgeordneten zu den Griechenlandkrediten nicht nur an ein Bekenntnis zur Finanztransaktionssteuer geknüpft. Sie haben diese Forderung auch noch massiv symbolisch aufgeladen. Steinmeier hatte im Bundestag diese Frage geradezu zum Prüfstein erklärt, an dem sich zeige, ob Politik sich den Finanzmärkten beuge.

So gehen beide Seiten mit Vorfestlegungen in die Gespräche. Am Donnerstagmorgen scheint die Lage trotzdem noch einigermaßen übersichtlich. Sondersitzung der Fraktion, acht Uhr im Reichstag. Weil sich in den Verhandlungen mit Union und FDP am Vorabend nichts bewegt hat, stellen Gabriel und Steinmeier die Weichen auf Verweigerung. Die Abgeordneten sollen sich im Bundestag enthalten. Doch bevor die Fraktion zur Probe abstimmt, schickt Gabriel seine SMS an Merkel. Er wolle sichergehen, dass es wirklich keinen Verhandlungsspielraum gibt, heißt es später in der SPD.

Nach dem Gipfel sah es dann plötzlich auch aus Gabriels Sicht gut aus. Er und Steinmeier erklären ihren Abgeordneten, Merkel und Westerwelle hätten eine „substanzielle Beteiligung der Finanzmärkte an der Krise zugunsten der Haushalte“ in Aussicht gestellt; man verhandle weiter. Für 17 Uhr werden neue Sondersitzungen der Fraktionen angesetzt. SPD-Fraktiongeschäftsführer Thomas Oppermann soll mit seinen Kollegen von Union, FDP und Grünen eine Kompromissformel erarbeiten. Bei der SPD-Linken wird freilich da schon die Parole ausgegeben: „Da muss Finanztransaktionssteuer drinstehen oder zumindest klar sein, dass das gemeint ist.“

Die FDP hat die Abmachung anders verstanden. Sie sei bereit, die Vorschläge des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu prüfen, sagt Fraktionschefin Homburger. Auch aus der Union wird ein Formulierungsvorschlag berichtet, der sich auf den Währungsfonds bezieht. Dieser Kompromiss sei von den Parteichefs „Wort für Wort“ abgesegnet worden, auch von Gabriel, betont ein CDU-Mann. Der Haken dabei ist nur: Ausgerechnet der IWF findet die Transaktionssteuer als Instrument eher untauglich.

Gut zwei Stunden lang tüfteln die Fraktionsgeschäftsführer an einer Entschließung. Gegen Mittag, bestätigen mehrere Teilnehmer, will die SPD von der Kompromissformel vom Morgen auf einmal nichts mehr wissen und fordert, dass das F-Wort jetzt doch auftauchen müsse. Die Union macht einen letzten Vorschlag, der allen die Chance lassen soll, ihre Haltung zur Finanzmarktfrage zu wahren. Doch Oppermann bekommt von der SPD-Spitze kein Okay. Auch ein letztes Telefonat Merkels mit Gabriel bringt nichts mehr.

„Eigenartig“ nennt Kauder den Schwenk. Teilnehmer der Verhandlungen streuen die Vermutung, Gabriel habe morgens nicht richtig gemerkt, was er da unterschrieben habe, und dann den Rückzug angetreten. Die SPD nennt einen anderen Schuldigen: Die Liberalen sein’s gewesen – die hätten hinter den Kulissen verbreitet, dass die SPD umgefallen sei.

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