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Politik: Sprachrohr der Wirtschaft (Kommentar)

Das war das falsche Signal. Der Bundeskanzler hat mit seinen jüngsten Äußerungen zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter den schwierigen Verhandlungen und seinem eigenen Ansehen keinen Gefallen getan.

Das war das falsche Signal. Der Bundeskanzler hat mit seinen jüngsten Äußerungen zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter den schwierigen Verhandlungen und seinem eigenen Ansehen keinen Gefallen getan. Acht Milliarden Mark, mehr sei nicht drin, hat er US-Präsident Clinton und die deutsche Öffentlichkeit wissen lassen. Damit hat sich der Regierungschef fatalerweise zum Sprachrohr der deutschen Wirtschaft gemacht. Es mag ja zuweilen pragmatisch sein, sich als Genosse der Bosse zu profilieren und den Firmen den Rücken freizuhalten. Aber wenn es um das Leid von Menschen geht, dann ist eine solche Parteinahme nicht nur fragwürdig, sondern auch unmoralisch. Jetzt muss endlich Schluss sein - so lautet die Botschaft an die Opfer. Es ist keine Fantasie nötig, um sich auszumalen, wie das auf die Betroffenen wirkt: beschämend. Aber von Moral einmal abgesehen, des Kanzlers Worte sind auch taktisch unklug. Denn der öffentliche Druck vor allem auf die zahlungsunwilligen Unternehmen wächst. Die vom American Jewish Committee publik gemachte Liste mit mehr als 250 Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigten, ist ein Beispiel dafür, ein anderes die klaren Worte von Hans Jochen Vogel. Wenn der Kanzler jetzt so Stellung bezieht, dann tut er den Falschen einen Gefallen: Er verringert den Druck auf jene Firmen, die bislang gar nichts zahlen wollen. Damit rückt eine baldige Einigung wieder in weite Ferne. Hätte sich Schröder doch auf die Seite der ehemaligen Zwangsarbeiter geschlagen und gesagt: zehn Milliarden plus x ist eine akzeptable Forderung - ein Ende des unsäglichen Pokers wäre greifbar gewesen. Jetzt steht das mühsam Verhandelte wieder auf dem Spiel. Die Fronten werden sich verhärten. Die Leidtragenden sind die Opfer.

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