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Politik: Sprengsatz für Parteitag der CDU

Streit über Rüttgers-Plan zum Arbeitslosengeld

Von Robert Birnbaum

Streit über Rüttgers-Plan zum Arbeitslosengeld Berlin - Norbert Röttgen pflegt die feinsinnige Differenz. „Das ist keine Gerechtigkeitsfrage“, sagt der Fraktionsgeschäftsführer der Union, „das ist eine Frage der sozialen Abwägung.“ „Das“ ist vor allem eins: eine Bombe, die nicht nur den frischen Frieden in der großen Koalition gefährdet, sondern auch in der Union Verwüstungen anrichten kann. Der Streit übers Arbeitslosengeld I hat das Zeug zum Grundsatzkonflikt. Gelegt hat den Sprengsatz der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Vize Jürgen Rüttgers. Der strebt die Stelle des OberSozialen in der CDU an, die verwaist ist, seit sein Förderer Norbert Blüm die Bühne verlassen hat. Ein Antrag für den Parteitag in Dresden Ende November soll dieses Profil schärfen. Die Überschrift verrät die Absicht: „Wer den Menschen etwas zumutet, muss ihnen auch eine Perspektive bieten – Hartz IV generell überholen!“

Dynamit steckt in der Forderung, denen, die nach langem Arbeitsleben ihren Job verlieren, länger Arbeitslosengeld I zu zahlen als Arbeitslosen mit kurzer Erwerbsbiografie. Eine Provokation für die SPD, deren Chef Kurt Beck klagt, Rüttgers wolle die SPD „links überholen“. Ein Sprengsatz aber auch für die Kanzlerin. Denn allen war klar: Würde Rüttgers mit dem Antrag in Dresden durchkommen, würde das als indirekte Absage an Angela Merkels Reformkurs gewertet.

Als CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla vor einer Woche zum Fraktionsvorstand der NRW-CDU reiste, tat er das daher nicht nur als Bezirkschef des Niederrheins, sondern auch als Bombenentschärfer. Nach lautstarkem Abend meldete Pofalla Erfolg. Rüttgers wollte eigentlich allen, die 30 Jahre in die Arbeitslosenversicherung gezahlt haben, ein halbes Jahr länger Arbeitslosengeld geben. Kosten: 3,1 Milliarden Euro. Ersetzt wurde das durch ein Stufenmodell, das die CDU beim Parteitag 2004 schon einmal beschlossen hatte. Am Montag im CDU-Präsidium fanden die meisten, dass sich dieser sozusagen überflüssige Antrag unter „ferner liefen“ an den Rand des Parteitags drängen lasse. „Vertretbar“ sei er nun, befand selbst Merkel.

Das könnte sich als Fehleinschätzung erweisen. Die Debatte geht weiter. Und je länger, desto mehr droht sich der Antrag eben doch zum Prüfstein für einen Richtungswechsel zu entwickeln. Zumal wenn Rüttgers ihn – so gerade im „Spiegel“ – weiter als solchen propagiert.

Röttgen ist also der Zweite, der sich im Entschärfen versucht. Der CDU-Mann geht noch weiter: „Der Vorschlag lautet, dass man einem etwas gibt und einem anderen etwas nimmt.“ Tatsächlich sollen Rüttgers’ Wohltaten aufkommensneutral verteilt werden. Verlierer wären die Jüngeren; das müsse man sorgsam abwägen. Da klingt eine Warnung an Rüttgers an, das Spiel nicht zu übertreiben. Röttgen weiß dabei die Bundestagsfraktion hinter sich, selbst die CSU, und das trotz Edmund Stoibers offenen Lobes für die Idee.

Nun kann dieser Widerstand Rüttgers eigentlich egal sein. NRW stellt beim Parteitag 301 der 1001 Delegierten; Merkel, Pofalla, aber auch Christian Wulff und Roland Koch brauchen deren Stimmen bei der Vorstandswahl. Rüttgers indes will ebenfalls als CDU- Vize bestätigt werden. Dass die Landesgruppe Baden-Württemberg sich am Montag klar gegen seinen Antrag gestellt hat, ist deshalb schon nicht mehr so egal.

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